Alles gut gelaufen, ähm …, gehumpelt

Vor drei Tagen die OP, die allem Anschein nach unproblematisch verlief. Morgens um halb sieben Aufnahme in der Tagesklinik, gegen zehn zur Narkose und ab eins wieder ansprechbar. Gegen fünf dann die Entlassung.

Das Wenige, das ich über die Operation selbst weiss, verdanke ich einem glücklichen Zufall. Denn als ich im Eingang der Klinik auf die automobile Abholung durch den Lieblingsmenschen warte, spricht mich jemand von hinten an: „Das Bein kenne ich doch!“. Es ist der Arzt und Mensch, der mich diagnostiziert hat und bei der Operation „dabei war“ (selbst operiert hat er nicht, ich vermute irgendwas mit Ausbildung). Und was er erzählt macht Hoffnung. Zwar war alles doch irgendwie anders, als erwartet, die Sehne sei unten ausgefranst (oder sagte er ausgefasert) gewesen, die Finger seiner linken Hand spreizten sich, „aber das haben wir wieder zusammengezogen“, Daumen und Zeigefinger der rechten Hand umschließen die gespreizten Finger der linken und ziehen sie zusammen. Klingt bei ihm nicht allzu schwierig. Anschließend hätten sie die Sehne „ähnlich einer Ziehharmonika“ zusammengezogen und verkürzt. Dafür hätten sie tief und auch lang schneiden müssen, aber dafür ist das auch richtig gut gemacht (oder so ähnlich). Er wirkte zufrieden mit sich , der Operation und dem zu erwartenden Ergebnis.

Wer sich jetzt fragt, was da nun eigentlich das Problem war, denn klingt es nicht seltsam, bei einem Anriss von was auch immer die Struktur nochmals zu verkürzen, hier mein Reim darauf. Die Verletzung bestand aus einem Anriss der Archillessehne und eventuel weiteren Rissen im Wadenmuskel die in der Folge die gemeinsame Struktur so verlängerte, dass sie sich schlicht nicht mehr weit genug zusammenziehen konnte, um die Kraft zu übertragen. Das würde auch mein Gefühl erklären, „dass da nichts ankommt, es einfach nicht hält“. Weil da nicht überdehnt wird, gibt es auch keinen Schmerz, die Funktion fällt einfach aus. Und das ich ohne Last den Fuss in alle Richtungen bewegen konnte, hätte ich, so die Vermutung des Arztmenschen, dem Umstand zu verdanken, dass mein langer Wadenmuskel (M. Plantaris) ungewöhnlich gut ausgebildet sei. Der nämlich ist unter normalen Umständen näherungsweise funktionslos und wird auch in manchen anatomischen Zeichnungen schlichtweg unterschlagen. Gut, denke ich an dieser Stelle, wenn er vorher nicht gut ausgebildet war, dann ist er es jetzt.

Und näher werde ich einer Erklärung nicht kommen. Zwar hatte ich vor der Entlassung schon mit einem Arzt gesprochen, der aber hatte nur einen Abriss des späteren Arztbriefes dabei, der sich auf die Folgebehandlung bezog. Freundlich und in höflicher Eile verwies er auf das Arztgespräch am folgenden Morgen.

Die erste Nach-OP-Nacht bei mir beginnt früh und verläuft unruhig, zu vieles ist ungewohnt. Der Weg zur Toilette gerät an den Vorhängen, die die Türen ersetzen, zur Slapstick-Einlage. Slapstick mit Krücken wiederum macht erstaunlich wach und schon ist eine einstündige Müde-lese-Phase angesagt. Und das dann zweimal.

Am Morgen gefühlt viel zu früh, aber selbstverständlich pünktlich, zur nachoperativen Wundversorgung. Die wiederum ist ein Beispiel dafür, wie man innerhalb von 10 Minuten alle guten Eindrücke vergessen machen kann, die freundliche und bemühte Kollegen durch alle Ränge bisher aufgebaut haben. Der behandelten Schwester scheint im Laufe der Jahre das Gefühl dafür abhanden gekommen zu sein, dass es Menschen gibt, die der Aufgabe, eine mehr als zwanzig Zentimeter lange Operationswunde für die nächsten vierzehn Tage eigenständig zu versorgen, mit Sorge begegnen und Fragen dazu haben. Vor allem wenn sie diese Wunde gerade zum ersten Mal gesehen haben, sie ihnen unerwartet groß erscheint und oberhalb noch immer der Katheder steckt und eine Mischung aus Blut und Wundwasser abführt.

Auch aus dem Abstand von drei komplikationfreien Tagen betrachtet wird mein Ärger da nicht kleiner. Denn in der Situation waren alle Fragen berechtigt und wären mit wenig emotionalem oder intellektuellen Aufwand noch während des Tuns zu beantworten gewesen. Ich könnte mir sogar die Antworten ausmalen, die eine freundliche Version dieser Schwester gegeben hätte, ohne dass das Ganze auch nur eine Minute länger gedauert hätte. Genug davon.

Der Arzt, der das abschließende Arztgespräch führen sollte, hat die Schwester dann noch getoppt. Er hielt mit der Übergabe des Arztbriefes seine Pflicht für erledigt, „steht alles da drin“. Auf meinen Einwand, dass mir das jetzt doch zu schnell ginge, entgegnete er schon in der Tür stehend, dass er Wichtiges zu tun hätte (immerhin: er sagte nicht „Wichtigeres“). Und schwupps, weg war er. So
weit, so schlecht.

Dennoch, so schlecht will ich den Bericht nicht enden lassen. Vielleicht hatte die Schwester an diesem Morgen die Scheidungspapiere bekommen und der Arzt einen wirklich-wirklich schlimmen Notfall zu versorgen. Vor solcherlei Szenarien bedacht haben sie im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten angemessen vermittelt, dass ich mir keinerlei Sorgen machen muss, denn schließlich machen sie sich ja auch keine. Und genau das hat auch der Arzt und Mensch meines Vertrauens gesagt, also wird alles gut.

Bleibt die Wundversorgung; ich stelle mir einfach vor, ich hätte mir tief in den Finger geschnitten und skaliere um den Faktor 25 hoch, was soll da schon schiefgehen. Ich halte Euch auf dem Laufenden.

Ein Gedanke zu „Alles gut gelaufen, ähm …, gehumpelt“

  1. Oh ja. Die besonders stark ausgebildeten Beinmuskeln glaube ich sofort. Ich sehe mich noch den Schiffenberg raufschnaufen, und du so nach zwei Wochen Trainingspause: ach, ich komm mal eben mit… Das erklärt sich immerhin nun. Wollen wir hoffen, dass die ganze Angelegenheit auch schön wieder zusammenwächst.

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