Gestern habe ich die Beobachtungsstation beschrieben und etwas ist in dem Beitrag angedeutet, was mich Laufe des Abends, vor allem aber der Nacht, dann ziemlich genervt hat. Es geht um den Zugang am Handgelenk, in dem die Gerätschaft zur körperinneren Blutdruckmessung steckt. Als Bonus lassen sich aus dem Schlauch auch die Blutproben nehmen, bei fünf bis sechs davon am Tag sollte sich Dankbarkeit einstellen, dass nicht immer wieder neu gestochen wird. Aber zwei Dinge haben mir den Spaß daran sehr verdorben. Zum Ersten war das Teil sehr unzuverlässig und tat, was es sollte nur dann, wenn ich absolut ruhig lag. Mit Ausnahmen, denn manchmal verlor das Teil auch bei ordnungsgemäßem Gebrauch den Kontakt. Der Arm liegt – wie er soll – gerade ausgestreckt neben dem Körper oder auf einem Kissen und es piept. Gerne auch mal in der Nacht. Das nenne ich das einfach-lästige Piepen.
Das doppelt-lästige Piepen trat auf, sobald ich irgendetwas von den Dingen tat, die ich ohnehin nicht tun sollte, zum Beispiel die Urinflasche im Stehen benutzen oder die Essenstasche ins Bett heben. Verräterteil, das Elende. Abzustellen nur durch das Personal. Das Doppelt-lästige daran war, das ich dann erklären mußte, warum ich die Weisung X mehr als Vorschlag sehe, für den Rest der Welt unter Umständen passend, aber gerade nicht kompatibel mit meiner Blase oder Bedürfnislage. Als ich heute morgen ging, konnte ich mich zumindest bei einer der Pflegerinnen für ihre Geduld bedanken.
Zum Zweiten war ich genervt, weil das Teil falsch saß, so zumindest mein erster Gedanke. Sobald mensch in die Versuchung gerät, anderen Menschen zu erklären, wie sie ihren Beruf ausüben sollen, ist es oft hilfreich darüber nachzudenken, ob es möglicherweise gute Gründe für diese „falsche“ Entscheidung gibt. Also dachte ich darüber nach, fand drei andere, „bessere“ Optionen, zu denen ich jeweils selbst sehr schnell auch einen Grund fand, warum die Fachkraft sich dagegen entscheiden würde.
Davon ausgehend, dass der Ort des Zugangs nicht ideal, aber durchaus sinnig gewählt war, hätte ich als Fachkraft dennoch eines versucht, um das Problem abzuschwächen. Ich hätte mit einer Schiene das Handgelenk versteift um zu verhindern, dass mit jeder unwillkürlichen (in meinem Fall auch willkürlichen) Bewegung die Elektrode des Blutdruckmessers ein kleines Stück aus der Einstichstelle herausgezogen bzw. wieder hineingestoßen wurde. Die kleine Wunde kam über die ganze Zeit nicht richtig zur Ruhe, immer war frisches Blut unter dem Fixierpflaster des Zugangs zu sehen, immer war die Wunde zu spüren, auch wenn sie nicht weh tat. Und das nervte.
Mein vorsichtiger Vorschlag, das Handgelenk mittels einer orthopädischen Schiene zu fixieren, wurde entweder nicht verstanden oder ignoriert. Folglich waren mein Handgelenk und ich heute Morgen etwas gereizt und wirklich, wirklich froh, als die Visite beendet und alle Kabel, Infusionen und Elektroden gezogen waren. Bei der Gelegenheit konnte ich auch zum ersten Mal die Wunde in der Leiste sehen. Sie ist kleiner als ich dachte und entgegen meiner Erwartung nicht vernäht.
Gegen neun werde ich mit all meinen Taschen ins Bett gesetzt und zur Normalstation gefahren.
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Ich kann mir vorstellen, Ihr seid von obenstehendem Text so genervt, wie ich vom Handgelenkszugang. Fühlt sich unnötig an, aber mensch muss da durch. Ab jetzt wird alles besser, versprochen.
Die Normalstation ist ein Hort der Freiheit. Kein Kabel begrenzt den persönlichen Freiheitsraum. Wer laufen kann, darf das auch. Sogar bis zum Küchenwagen, wo es unbegrenzte Tee- und Kaffeevorräte gibt. Unerschrockenen Patienten wird zugetraut, alleine Aufzug zu fahren, andere Stationen aufzusuchen und auch wieder zurückzufinden. Das Bein, das wenige Stunden zuvor nicht angewinkelt aus dem Bett hängen durfte, wird nun laufenderweise belastet, ohne das anwesendes Personal blass dabei wird. Eine Pflegerin übernimmt ungeprüft meine Angabe zur Temperaturmessung vom Morgen (okay, das ist nun keine superkritische Angabe, aber ich habe gelernt, mich auch über kleine Ding zu freuen). Kurz, seit dem Stationswechsel bin ich sehr zufrieden und fühle mich ausnehmend gut.
Durch einen glücklichen Umstand habe ich für diese Nacht das Zwei-Bett-Zimmer für mich alleine. Der Patient, der mit mir das Zimmer bewohnen sollte, hat die Behandlung, besser: die beobachtete Schonung, abgebrochen und schont sich nun zuhause. Dennoch bin ich nicht ganz alleine, denn die Zimmer haben hier eine nie zuvor gesehene Aufteilung. Es gibt zu je zwei kleinen Doppelzimmern einen gemeinsamen Aufenthaltsraum (a kind of).

Finde ich vom Konzept her gut gemacht, je nach Temperament oder Zimmergenossen kann der zusätzliche Raum mal mehr Ort der Zusammenkunft und ein anderes Mal des Ausweichens sein. Für mich war er heute schon beides, kurz nach seiner Ankunft habe ich dort mit Joe, mit dem ich mir letzte Nacht schon das Zimmer auf der Beobachtungsstation teilte, zusammen gesessen. Währendessen kam auch Armin, mein Bettnachbar der vorletzten Nacht, vorbei, um sich zu verabschieden. Und irgendwann nach dem Mittagessen war es gut, mich auf’s Zimmer zurückzuziehen und eigene Dinge zu machen.
Nachmittags ein kurzer Überraschungsbesuch von J., er hat hier ebenfalls zu tun, krankheitsbedingt.
Jetzt ist es Abend und im Rückblick erlebe ich den Tag wie eine große Befreiung. Körperlich geht es mir gut und ich kann mich Dingen widmen, die ich mag, schreiben lesen, zeichnen. Personal ist da, möchte gelegentlich auch etwas, aber ist nie einschränkend. So mag ich das.





