Heute war die regelmässige Kontrolluntersuchung des Aortenaneurysmas.
Eigentlich wollte ich ja mal wieder was Launiges mit der Fee schreiben, gebt es endlich zu, Ihr fandet die auch gut! Für diesen Zweck habe ich im Vorfeld etwas Statistik zu Aneurysmen aus dem Internet zusammengesucht. Operationsrisiken eingehen oder vermeiden ist Abwägungssache, dafür zieht mensch im günstigsten Fall Daten zurate. Ich hätte diese Daten mit der Fee diskutiert.
Zeigt sich: guter Plan, mit dem Aneurysma ist alles okay, es ist nicht gewachsen. Das ist das Beste, was sich von einem Aneurysma erwarten lässt.
Aber „heute ist Herzklappentag“, wie die ausführende Ultraschall-Fachkraft dem umstehenden studentischen Publikum mitteilt, zu mir, mehr Infos gäbe es im Arztgespräch. Kurz darauf, ich sitze schon wieder im Wartebereich, ruft die Pflegerin – eine sehr junge Frau, vielleicht noch Schülerin – mich nochmals auf, dann einen zweiten Namen. Ich halte das für einen Versprecher, folge ihr trotzdem, erreiche sie in der Tür zum Behandlungszimmer, sie wirkt verwirrt, als sie mich sieht, ja, ein Versehen. Na, denke ich mir, jetzt wüsste ich schon gerne, was Du gehört hast, dass mein Name Dir noch im Kopf herum ging, als eigentlich anderes drin sein sollte.
Das Arztgespräch löst dann auf, die …
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Schplong, vor mir sitzt die Fee, Ihr erinnert Euch, dreißig Zentimeter personifizierter Redefluss, und beginnt sofort. Was für ein Abfuck, sie hätte nur ganz freibleibend …, und ob ich im letzten Gespräch (1) nicht zugehört hätte, das sei alles nicht mehr zurückzunehmen, sie träfe da nur sehr bedingt die Schuld und wenn ich nicht immer so blöde im Universum herumwünschen würde, wäre ihr Job um einiges leichter.
Mach mal langsam, grätsche ich gedanklich dazwischen (ich muss nichts sagen, sie liest meine Gedanken), bis gerade eben warst Du nur ein Mittel, um die Nummer hier etwas aufzulockern, jetzt sitzt Du auf meinem Schreibtisch und verbreitest Hektik, kann ich gerade echt nicht gebrauchen.
Ach, kannste nicht gebrauchen, sagt sie, so wie Du auch die Schmerzen nicht gebrauchen kannst, wenn Dein Aneurysma platzt, Mann, das war der Deal, zwei Tage Schmerzen maximal, keinerlei würdeloses Dahinsiechen, und die paar lächerlichen Jährchen weniger, die Du … . Stop, denke ich. Sie stoppt. Leider nur kurz, also Deine Angst vor den Schmerzen, ich dachte, ich frag‘ mal nach, ganz unverbindlich, und sie betont unverbindlich sehr, fast schon in Großbuchstaben, also ich frag mal nach, ob’s nicht was gäbe ohne Schmerzen… . Stop, denke ich, diesmal stoppt sie wirklich.
Sie stoppt wirklich, liest das Fragezeichen in meinem Kopf und den stillen Wunsch, sie möge etwas strukturierter … , klar kann ich, unterbricht sie, ich bin ja schließlich Deine Fee, Du könntest mich zum Nashorn machen und … . Arschloch, sagt sie, mehr nicht, als sie fünf Minuten später wieder als Fee vor mir sitzt.
Oder fast, sie trägt jetzt ein Kostüm, Brille, Tablet und gibt sich verschnupft und geschäftsmäßig zugleich. Alles nicht meine Idee, aber ich lasse sie. Sie ist sehr strukturiert und sehr langweilig. Ich kürze ab, es gab ein Mißverständnis in der Abteilung für verhandelte Sterbefälle, ihre unverbindliche Anfrage, ob ich nicht auch schmerzfrei sterben könnte, wurde als Antrag aufgefasst, bepreist, bewilligt und eingeleitet. Natürlich gäbe es einen Preis, natürlich, denke ich, es gibt immer einen Preis. Erstens, die Sache sei nicht sicher, mehr so die Eröffnung einer Möglichkeit. Wenn die Möglichkeit nicht eintritt, wird es eben doch blöd. Und zweitens kostet mich die Nummer ein paar weitere Lebensjahre, der schmerzfreie Tod läge deutlich vor dem schmerzhaften.
Während dem Gespräch hat sie sich Stück für Stück wieder in die Fee zurückverwandelt, die mir spontan erscheint. Ich mag sie sehr, so. Wir vertragen uns wieder. Ach ja, sagt sie beim Gehen, sie habe Widerspruch eingelegt, aber über den sei noch nicht entschieden. Immer für eine Überraschung gut, die Gute.
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Zurück zum Arztgepräch, in dessen Verlauf ich die Sache mit dem Widerspruch verstehe. Es ist noch nichts entschieden, da hat die Fachabteilung ein spezielles CT zu bewerten und eine minimalinvasive OP müsste als sinnvoll erscheinen und gelingen. Dann wäre ich mit dem Universum wieder beim alten Deal.
Der Klartext im Arztgespräch:
- Meine Herzklappenverengung hat sich von mittel- zu hochgradig entwickelt.
- Einer von drei Patienten stirbt im Jahr nach dieser Diagnose (konnte die Aussage bisher nirgends verifizieren).
- Empfohlen wird die große, von mir abgelehnte Herz-OP, bei der das vom Aneurysma betroffene Stück Aorta gemeinsam mit der Herzklappe ersetzt wird.
- Ich lehne die OP weiterhin ab.
- Die Herzklappe könnte eventuell minimalinvasiv durch die Leiste ersetzt werden. Dabei ist vorher zu prüfen, ob das Gewebe um die Herzklappe vom Aneurysma unbeschadet ist.
- Diese Prüfung ist ein CT und wird zeitnah stattfinden.
- Danach ist zu entscheiden, ob
– ich mich operieren lasse (falls möglich),
– doch der großen OP zustimme (falls nicht möglich) oder
– unbehandelt weiterlebe.
- Unbehandelt führt eine hochgradige Aortenklappenstenose langfristig zu einer Herzinsuffizienz. Das Herz ist überlastet und kann nicht mehr ausreichend Blut pumpen. Dies äußert sich in:
– Atemnot
– Ödeme
– Müdigkeit und Schwäche
– Plötzlicher Herztod
– Schlaganfall
- Der plötzliche Herztod ist die wünschenswerte und schmerzfreie Variante.
- Der Schlaganfall macht wieder alle Möglichkeiten für einen würdelosen Abgang auf.
Im Moment wünsche ich mir sehr, dass der minimalinvasive Eingriff vorgenommen werden kann.
Wer sich noch immer für die Zitate zu den Risiken eines Aortenaneurysmas interessiert – und das dürfte für die meisten von Euch wirklich uninteressant sein – darf hier weiterlesen.
Indikationen zur Therapie eines Aortenaneurysmas
Im Durchschnitt wächst ein Aortenaneurysma etwa 0,1 Zentimeter pro Jahr. Das Wachstum wird durch Vorliegen einer Bindegewebserkrankung begünstigt. Ist das Aortenaneurysma kleiner als fünf Zentimeter, liegt das Risiko einer Ruptur bei unter zwei Prozent. Es steigt jedoch bei Aneurysmen mit einer Größe über sechs Zentimetern auf sieben Prozent an. Eine Indikation zur endovaskulären bzw. operativen Versorgung des Aortenaneurysmas wird ab einer Größe von 5,5 Zentimetern zum Thema. Allerdings fällt die Entscheidung immer im Einzelfall, auch mit Rücksicht auf den Gesamtzustand des Patienten, die Geschwindigkeit des Wachstums sowie die Lage des Aortenaneurysmas. Patienten mit Marfan Syndrom können unter Umständen bereits früher operiert werden. Dabei geben Gefäßchirurgen heute endovaskulären Eingriffen nach Möglichkeit den Vorzug.
Überlebenschancen, Risiken und Lebenserwartung bei Aneurysmen
Die Aneurysma-Behandlung wie auch die Operation obliegt nur Spezialisten für Aneurysmen.
Diese verfügen über hohe fachliche Kompetenz, spezielles Wissen und gute Netzwerke. Doch auch die beste Spezial Klinik für Bauchaortenaneurysma und das hoch zertifizierte Krankenhaus für zentrale Aneurysma kann die OP-Risiken nur bis zu einem gewissen Grad senken.
Während die Letalität bei normalen Operationen in der Regel zwischen 1 und 5 % liegt, so ist die Überlebenschance bei einer Gehirnaneurysma-OP zwischen 50 und 70 %. Auch die Sterblichkeitsrate bei einer Aortenaneurysma-OP kann nicht unter 40 % gesenkt werden.
Das Risiko, während oder direkt nach dem Eingriff Schäden durch Blutungen oder Sauerstoffmangel zu erleiden, steigt auf bis auf 40 %. Etwa genauso hoch ist die Wahrscheinlichkeit, nach einer offenen Aneurysma-Operation einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall zu erleiden.
https://www.krankenhaus.de/behandlungen/operation-eines-aneurysmas/
Übersichtsarbeit
Die maximale Aneurysmagröße korreliert ab einem Aortendurchmesser von 40 mm direkt mit der Letalität durch Aortenruptur und -dissektion (2, e17). Bei einem Durchmesser > 60 mm beträgt die jährliche Ruptur- und Dissektionsrate circa 6,9 %, die Sterblichkeit 11,8 %. Dies entspricht einer Verdopplung der Komplikationsrate verglichen mit einem Aortendurchmesser von 50–59 mm. Bei geringeren Diametern ist die Komplikationszunahme (10–25 % pro 10 mm) geringer (2, 6).
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Häufigkeit der Diagnostik
Zu der praktisch wichtigen Frage nach den notwendigen Diagnostikintervallen bei bekannter Aortendilatation liegen keine belastbaren Studiendaten vor. Nach Meinung der Autoren sollte die erste bildgebende Kontrolluntersuchung sechs Monate nach Diagnosestellung zur Beurteilung der Größenprogredienz erfolgen. Bei stabilem Befund werden Kontrolluntersuchungen in jährlichen Abständen empfohlen. Ist über einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren ein konstanter Befund zu verzeichnen, können die Kontrolluntersuchungen auf zwei- bis dreijährliche Intervalle ausgedehnt werden.
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Das operative Sterblichkeitsrisiko des Aortenersatzes liegt zwischen 1 % bei jungen and > 5 % bei älteren Patienten, abhängig von einer gleichzeitigen Aortenklappensanierung, der Erfahrung des Operateurs und den Begleiterkrankungen des Patienten (e20, e22).
https://www.aerzteblatt.de/archiv/124321/Aneurysmen-der-Aorta-ascendens