Gespräche mit der Fee (1)

Für das, was jetzt kommt, gibt’s keinen einfachen Einstieg, denn neulich kommt die Zahnfee bei mir rum, sagt, sie fragt für eine Freundin, die sei im Sterbebusiness, könne aber gerade nicht, weil Krieg und Krise und Pandemie, und überhaupt, meistens hätten es ihre Leutchen eh nicht eilig.

Stell‘ Dir vor, sagt sie, nur mal so hypothetisch, Du darfst Dir aussuchen, wie Du stirbst. Okay, nicht genau „aussuchen“, sagt sie, aber Vorlieben würden berücksichtigt, das sei ja schon mal was. Bei Feen gibt es immer irgendwelche Haken, denke ich, und ob’s wohl irgendwas wert ist, dass wir uns schon seit meinem ersten Milchzahn kennen. Aber, sagt sie, die Sache hat einen Haken, ihr sei das ja unangenehm, aber die Freundin …, und sie wäre da ja lockerer, andererseits hätte jeder Deal so seine Regeln und ich wisse schon. Wie sie so rumdruckst kann ich sie doppelt gut leiden, und auch weil wir uns schon so lange kennen.

Der Haken ist der, sagt sie, egal was Du Dir wünschst, sterbensmäßig, und das sagt sie wirklich so, das kommt dann deutlich schneller als alles, was Du nicht willst. Also ganz anders als im Leben, aber es ginge ja auch ums Sterben, da müsste ich mich nicht wundern, sagt sie. Und warum ich so ein Gesicht machen würde, fragt sie, denn …, und dann leuchtet kurz ihr linkes Ohr und sie murmelt irgendetwas schwerverständliches von Bälgern, die sich mit den Drecksrollern die Vorderzähne ausfallen, und dann wieder zu mir, da sei gerade ein Notfall hereingekommen, sie müsse da wirklich hin und wir könnten ja demnächst weiterreden und die Sache mit mir und der Freundin sei ja nun wirklich nicht dringend … und schwupps, weg ist sie. Ich bin zu alt für den Scheiß!

<O>

Drei Tage später, ’selber Ort, ’selbe Zeit, ’selbe Fee, die einsteigt als sei sie niemals fortgewesen, also, sagt sie, sie hätte da nochmal nachgehakt, rein interessehalber, und ob mir eigentlich nicht klar sei, was ich anstelle, wenn ich so ins Universum hineinwünsche. Ich halte das für eine rhetorische Frage und sage lieber nichts, wüsste ohnehin nichts drauf zu sagen außer ja, also nein, nicht klar, gar nicht klar. Aber sie ist sowieso nicht zu stoppen, weil nämlich, ich hätte bei verschiedenen Gelegenheiten den Wunsch geäußert, möglichst schnell und überraschend abzutreten, so, und das könne ich jetzt haben, und ob ich jetzt zufrieden sei. Auch das könnte eine rhetorische Frage sein, andererseits fragt eine Fee, vielleicht gibt es sowas wie Qualitätsmanagement in der Abteilung für Wunscherfüllung. Könnte eine große Sache sein in der Feenwelt, Kundenzufriedenheit, und um ehrlich zu sein bin ich noch am Verdauen der Nachricht, ich meine, zuerst ’ne Zahnfee, plötzlich geht’s um bevorzugte Sterbeweisen, alles wirkt, als hätte ich eine Wahl, aber welche eigentlich, und schon sprechen wir von einem schnellen und überraschenden Abgang. Und ob ich jetzt zufrieden bin. Nein, ich bin verwirrt.

Vor mir immer noch dreißig Zentimeter personifizierter Redefluß, froh sein könne ich, sagt er, der Redefluß, also sie, die Fee, dass ich wenigstens den Zeitpunkt offengelassen hätte, sonst …, ach, sei ja auch egal, und sie hätte das gehört mit dem Zu-alt-für-den-Scheiß beim letzten Mal und ich solle mir mal nichts vormachen, ich sei genau in dem Alter für den Scheiß!

Irgendwie hat sie den Faden verloren und es ist zum ersten Mal Ruhe, schön ist das, sie scheint wirklich fertig zu sein. In beiden Bedeutungen der Redewendung, sie hat nichts mehr zu sagen und sie wirkt etwas mitgenommen. Okay, sage ich in die entstandene Stille hinein, aber eigentlich weiß ich nicht so genau, was ich damit meine, denn nichts ist okay.

<O>

Ein paar Stunden später hab‘ ich’s verstanden, und nach dem ich’s verstanden habe, haben wir echt noch ’ne ganze Weile geplaudert, spannendes Zeug, ist eigentlich ’ne ganz Nette, die Fee, hat sonst auch ganz andere Kunden und …, sorry, ich schweife ab, ein anderes Mal davon vielleicht mehr.

Im Wesentliche läuft’s darauf hinaus, dass die „Freundin im Sterbebusiness“ in unserem Kulturkreis gerne mal als Todesengel auftritt, was der Zahnfee aber übertrieben dramatisch vorkommt, weswegen sie in meinem Fall gerne eingesprungen ist als Not am Mann war, also der Fee, dem Engel, egal. Die Freundin hätte Einfluß auf die Umstände und den Zeitpunkt des Todes, allerdings nur begrenzt. Das Alles sei schwer zu verstehen, also eigentlich sagte sie „scheiße-kompliziert“, weil jede „Fucking-Sekte“ ihre eigenen Metaphern für den Abgang und das ganze Drumherum hätte. Den Feen, sagt sie, könne das egal sein, im Grunde seien sie für die Erfüllung von Sonderwünschen zuständig und dabei hätten sie sich nach dem Verhältnis von Alltagswünschen und deren Erfüllung im bis dahin gelebten Leben zu richten. Dafür sei allein der kulturelle Algorithmus zuständig, sagt sie wirklich so, sie bekäme nur den W2E-Score, der da irgendwie rausfällt, wieder Originalton, und das gilt dann so.

An der Stelle war ich knapp davor, mir einfach eine andere Fee zu wünschen, ich meine, wenn interessiert das? Genau, sagt sie, niemand! Oopsy-oopsy-oops, ja, kannst Dir das reden sparen, ich krieg’s auch so mit. Ach, denke ich mir, probehalber mal ’ne Frage …, Ampeln, Fahrräder, Palmen, sagt sie, Treppenstufen, Hydranten und Schornsteine hätten es auch sein können, die hast Du vergessen, außerdem jede beliebige Dreierkombination davon, das wären …, kein Mensch mag Klugscheißer, denke ich. Verstanden, sagt sie, also eigentlich sagt sie „copy that“, und meint damit, dass sie versucht, sich zurückzuhalten. Wir verstehen uns immer besser.

Okay, sagt sie, ich spar‘ mir die Feinheiten, ja, kein Mensch interessiert sich für die Berechnung von irgendwelchen Scores, bin mir nichtmal sicher, ob’s gut wäre, wenn …, nicht ablenken, krätsche ich denkenderweise in den Redefluß, okay, sagt sie, wird alles wegabstrahiert, kriegste nix von mit, also gar nix, nichtmal Feen kommen vor, alles vollkommen im Untergrund, das gesamte Wunscherfüllungsbusiness. Gerade will ich mich über die Anglizismen …, jetzt lenkst Du ab, sagt sie.

Superverkürzt also: wir bekommen im Leben im Wesentlichen das, was wir verdienen, in meinem Fall sei  das „etwas unheitlich“, Klartext, denke ich, kannste knicken, sagt sie, Du schreibst das in den Blog und da will ich nicht …, ist ja auch egal, sagt, sie, bei guten ethischen Durchschnittswerten gibt es da erstaunliche Ausreißer nach oben und unten, und da kann die Freundin keinen vernünftigen Tod draus ableiten, muss ja irgendwie plausibel sein, also für unsereins, bei euch – und wie ich sie verstehe, meint sie damit Leute, die man nicht nur sehen, sondern auch anfassen kann – kommt die Sterberei sowieso immer falsch an.

In meinem speziellen Fall, sagt sie, sei alles schon arrangiert, weißt schon, das Aneurysma der Aorta Ascendens, das während des CT’s so nebenbei gefunden wurde, sie klingt, als sei sie ein bisschen stolz. Ich brauch‘ ’nen Moment, bis ich’s verstanden habe, okay sag‘ ich, nur zur Sicherheit, dass ich da nichts mißverstehe, also Option A …, die Du ja unbedingt ins Universum herausplärren musstest, unterbricht sie mich, … besagt, dass ich ab jetzt jederzeit überraschend sterben könnte …, mit 90prozentiger Sicherheit dann, sorry, mehr war nicht drin, wirft sie ein, … während Option B einige Jahre mehr und alle Chancen auf ein würdeloses Alter und multiples Organversagen an seltsamen, piepsenden Maschinen enthält. Yep, sagt sie, für A einfach weitermachen, für B ’ne häßliche Operation überstehen, ich hätte die Wahl.

<O>

Wie schon erwähnt, wir haben dann noch etwas geplaudert. Und erst viel später habe ich mich gefragt, warum sie die Operation als „häßlich“ bezeichnet hat. Google hatte Antworten und wenn die Euch interessieren, also ernsthaft jetzt, würde die Fee sagen, dann dürft Ihr hier

Das Aneurysma der Aorta Ascendens
[…], dessen operative Behandlung obligat ist und für das es keine interventionelle oder minimalinvasive Therapiemöglichkeit gibt.

[…] Liegt der grösste gemessene Durchmesser des Aneurysmas zwischen 45 und 55mm [bei mir 5,2mm], ist die Operation – abhängig von Körpergrösse und -gewicht – angezeigt. Diese besteht im Ersatz des ausgeweiteten Segments der Aorta ascendens durch eine Gefässprothese. Die Aortenklappe wird je nach Miteinbezug in das Aneurysma und Vorschädigung gleichzeitig durch eine künstliche Klappe ersetzt oder unter Erhaltung der Klappentaschen rekonstruiert. Dank der Haltbarkeit der heutigen Gefäss- und Klappenprothesen gilt die Operation als definitive Therapie mit exzellenten Langzeitresultaten.

Auch interessant:
Sportarten mit hohen statischen Komponenten, kompetitive dynamische Sportarten oder Sportarten mit explosiven Aktivitäten sind dabei generell ungeeignet.
Auf der anderen Seite sollen diese Patienten nicht von einem gesunden Lebensstil abgehalten werden. Regelmäßige Ausdaueraktivitäten im moderaten Bereich oder alltägliche Aktivitäten wie Heben von Kindern, Tragen von Einkaufstaschen etc. sind sicherlich nicht einzuschränken.

Dennoch gilt:
Bei symptomfreien Patienten empfiehlt sich unter Berücksichtigung der Spontanprognose sowie des operativen Risikos, entsprechend den europäischen [10] und den amerikanischen Richtlinien [6], ein prophylaktischer Ersatz der Aortenwurzel/Aorta ascendens, wenn der maximale Durchmesser 5,5 cm überschreitet. Für Patienten mit bikuspider Aortenklappe oder Marfan-Syndrom ist ein operatives Vorgehen ab einem Durchmesser von 5 cm gerechtfertigt.

„Operatives Vorgehen“ meint:
Eingriffe an der Aorta ascendens […] erfolgen immer an der Herz-Lungen-Maschine mit einem Zugang von vorne (Sternotomie) und evt. zusätzlichen Zugängen zu den Arm- oder Beinarterien. Die Eingriffe finden in Allgemeinnarkose und künstlicher Beatmung statt. Das Monitoring entspricht dem von Herzoperationen (arterielle Katheter, zentraler Venenkatheter, Blasenkatheter, etc.). Einige Eingriffe müssen in Hypothermie und Kreislaufstillstand erfolgen. Es handelt sich um sehr lange Eingriffe (über 3–4 Std.) und das Erwachen aus der Narkose geschieht 3–24 Std. nach der Operation, wenn sicher gestellt ist, dass stabile Verhältnisse vorliegen. Die Überwachung und Behandlung erfolgt für ein bis mehrere Tage auf der Intensivstation und anschliessend auf der Abteilung.
Nach 3-4 Tagen können bei den meisten Patienten die Katheter entfernt werden. Am wichtigsten ist neben der zunehmenden Mobilisation die intensive Atemtherapie, da die Lungenbläschen eine Tendenz zum Verkleben (Atelektasen) haben.
Die Entlassung nach Hause oder in eine Rehabilitation ist meist 8-14 Tage nach der Operation möglich. Wegen der sehr grossen und belastenden Operation kann in den ersten Wochen der Haushalt nicht selbständig geführt werden und es ist mit einer Erholungszeit von 2-3 Monaten zu rechnen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert