25174 – Mandalas mal wieder

Das mit dem Aufschreiben ist ja so eine Sache. Kaum ist eine Aufgabe aufgeschrieben will sie auch erledigt sein. Als ich letzte Wochen die Mandala-Skizzenbücher in den Dome räumte, war mir aufgefallen, das eines, das letzte, bis heute nicht fertiggestellt ist. Ich setzte das auf meine Mach-ich-mal-wenn-mir-sonst-nichts-einfällt-Liste. Und vergaß es bis heute.

Eines der Deckblätter ist noch nicht in das dazugehörige Umschlagpapier eingeschlagen und, ich erinnerte mich langsam wieder, aus irgendeinem Grund fehlte damals schon die Spirale des Spiralblocks. Es gab die Idee, sie mit Kupferdraht nachzubilden, fällt mir ein. Irgendwann ist dann wohl miteinander vergessen gegangen.

Die Mandalas dieses Buches sind mit wenigen Ausnahmen aus den Jahren 2000 bis 2003 und decken thematisch genau eines ab, die Beziehung zu D.. Der passende Umschlag dazu sollte aus einem braun-grünen Geschenkpapierbogen im aufgedrucktem Pepita entstehen, ein Vorhaben, das über zwanzig Jahre später noch immer nur zur Hälfte umgesetzt war. Aber – soviel Ordnung muss sein – alles sauber beieinander in einem Pappumschlag bei den anderen Mandalas.

Dieses pepitagemusterte Geschenkpapier hat eine kleine Geschichte, es wanderte wie ein Running Gag mehrfach zwischen mir und D. hin und her. Wer auch immer von uns gerade im Besitz dieses mehrfach gebrauchten Bogens war (der aber beständig an Größe verlor), verwendete ihn beim nächsten Anlass wieder. Und irgendwann zog ich ihn dann endgültig ein, gerade noch groß genug für den Zweck des Umschlagseins.

Heute hat dieser Bogen dann nach zwanzigjähriger Wartezeit seine Erfüllung gefunden. Mit einer kleinen Improvisation, denn die Idee mit der Kupferdrahtspirale wollte ich nicht mehr umsetzen, das Skizzenbuch ist nun mit drei Gardinenröllchen „gebunden“.  Bei Gelegenheit werde ich diese durch passend-große Schlüsselringe ersetzen, zugegeben das könnte auch bedeuten: in zwanzig Jahren oder nie.

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Fast vergessen, nach dem ich meine kleine Bastelarbeit beendet hatte, habe ich noch etwas „gebuchhaltert“. Zu den Skizzen-Blocks gehören zwei Kladden, in denen ich zu jedem Mandala das Datum und anderes, was mir gerade bemerkenswert dazu erscheint, vermerke. Das ist manchmal fast nichts und manchmal eine kleine Legende, oft genug wenigstens eine Assoziation. Zu den letzten elf Mandalas fehlten diese Einträge und nach so langer Zeit ist da auch nichts mehr zu erinnern. Dennoch, auch „buchhalterisch“ bin ich jetzt aktuell, sogar die ganz aktuellen Mandalas – in diesem Sommer sind drei hinzugekommen – haben jetzt ihren Eintrag.

Fun Fact: Einst hielt ich es für eine realistische Idee, 1000 dieser Mandalas zu zeichnen oder sonstwie im Format 18 x 24 cm abzubilden. Stand heute bin ich bei 321.

25159 – Heute besteht der Teufel auf Brot

Entwurf für die Doppelseite eines Copy-Druckdings, das wir heute als Perzine (Personal Zine) bezeichnen würden. Wurde nie fertiggestellt, gut so, wäre mir im nachhinein vermutlich nur unangenehm.


Wir waren damals™ – der Entwurf ist von 1981 – jung, dumm, unempathisch und geil. Alles sehr unfreie Zustände. Wir spürten das und wollten nicht so sein.

25120 – Als ob …

Ein Montag, wie ich mir den gestrigen Sonntag gewünscht hätte. Es ist sonnig, ich sitze auf der Terrasse, lasse den Tag langsam beginnen. Ein C-Falter kommt vorbei und lädt mich zu einer Foto-Session ein, „C-Falter auf Zeh“.

Ich lese etwas, aber im Hinterkopf habe ich noch den Traum letzter Nacht. Ich träumte von Tine, mit der ich Mitte der 70er Jahre und auch im Traum zusammen war. Wir küssten uns; ich erwachte nur sehr widerwillig.

Ich habe selten Träume, die ich mir merken kann, noch seltener solche, die etwas bedeuten. Aber aus den seltenen und bedeutsamen Träumen habe ich gelernt, wie ich Themen oder Personen variiere, wenn ich aus unbekannten Gründen nicht Klartext träumen kann. Heute allerdings versagt meine Hobby-Traumdeuterei. Die Nähe von Tine und Tini ist offensichtlich genug und ein Blick auf das Datum zeigt, dass wir ziemlich genau vor einem Jahr für eine kurzen Spätsommer zusammenkamen. Darüber hinaus gibt es wenig Ideen, denn auch im Traum ist wenig geschehen. Wir sind auf einer WG-Party im 70er-Jahre-Setting und küssen uns. Es ist ein Kuss, der für sich steht, der weder auf eine vergangene noch eine zukünftige Beziehung hinweist, der lustvoll ist ohne zu drängen, der im Moment verweilt.

Und während ich dies schreibe, überlege ich, ob es nicht ein sehr „abstrakter“ Kuss ist, einer, der nicht auf eine Person oder ein konkretes Wünschen bezogen ist, sondern in allgemeinster Form auf libidinöse Wünsche verweist. „Libidinöse Wünsche“ klingt schonmal abstrakt genug.

Konkret: Die Geschichte mit Tini ist überwunden, auch wenn es ein ähnlich zäher und widerwilliger Prozess war, wie das Erwachen aus dem Traum heute morgen. Ich werfe ihr nichts vor und hoffe, dass das umgekehrt genauso ist. Soweit ich mich in ihre Perspektive versetzen kann, hat sie alles richtig gemacht (Stimme aus dem Off: „Naja, fast!).

Meint: ich erlebe mich – wieder – als zugänglich für Akte freundlicher Zuwendung und entwickle darüber mal einen ernsthaften Crush, mal eine kurzlebige Phantasie. Nichts davon verfolge ich ernsthaft, auch deswegen, weil zu den bereits vorhandenen roten Flaggen ein paar neue hinzugekommen sind. Obwohl es für den Moment die alten durchaus tun: keine Frauen in bestehenden Beziehungen und keine zu zu jungen Frauen.

Ein für mich neuer und bemerkenswerter Standpunkt dazu kommt von meiner Therapeutin. Während sie einerseits die roten Flaggen als solche nicht in Frage stellt, rät sie andererseits „im Gefühl zu bleiben“, den Zustand des Bereit-seins als Wert anzunehmen und auch, mit besonderer Betonung, als Lebens-Zeichen.

Und so übe ich mich darin „im Gefühl zu bleiben“ und pflege eine kleine Als-ob-Verliebtheit, als könne sie sinnvollerweise irgendwohin führen. Erstaunlicherweise geht es mir trotz vorausgesetzter Vergeblichkeit gut damit. Ich kann zugewandt sein (bis hin zum Ausschluss Dritter), ohne bei mir oder dem Gegenüber Erwartungsdruck auszulösen. Ich kann meine Unsicherheiten wahrnehmen, ohne sie ernstzunehmen (sie können nicht verhindern, was ohnehin schon ausgeschlossen ist). Ich kann mir Mühe geben, ohne bemüht zu sein. Vielleicht, sehr vielleicht, nehme ich etwas mehr von der Gegenüberin „wahr“, weil die rosarote Brille über den Als-ob-Schalter stufenlos regelbar ist. „Im Gefühl zu bleiben“ erlaubt spielerisch und ernst zugleich zu sein. Ich bin sehr fein damit.

Ein Thema für einen anderen Tag wäre, ob und wie diese Haltung des spielerischen Ernstes auf andere Begegnungssituationen abfärbt. Mir kommt es so vor.

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So steht’s unter dem heutigen Datum im Tagebuch. Dann hatte ich die Idee, den Eintrag mit Euch zu teilen, und mein Nachdenken wurde viel zu bemüht. Statt nachzudenken bin ich einkaufen gegangen. Gute Entscheidung, mit einem halben Tag Abstand bin ich bereit, den Traum einfach als Befindlichkeitsanzeiger anzusehen, „Ich bin wieder da“, will er sagen, zuerst mir, dann Euch und wenn Ihr wollt, dürft Ihr es gerne weitersagen.

25034 -Ein Traum

Ich flegele zusammen mit einer jungen Frau auf einer Mischung aus Sofa und Matratzenlager herum. Es könnte ein WG-Zimmer in einer der WG’s meiner frühen Jahre sein. Wir sind in einer Abschiedssituation, wir sehen uns heute zum letzten Mal, die Stimmung ist gut mit einem Hauch Melancholie. Wir haben etwas füreinander übrig.

[Beim Aufwachen werde ich noch einige Zeit über diese Redewendung nachsinnen, „etwas füreinander übrig haben“, da ist noch etwas, mensch könnte es teilen oder mit sich nehmen. Wenn es füreinander ist, dann ergibt teilen mehr Sinn, mitgenommen oder aufbewahrt bleibt es wohlwollende Möglichkeit.]

Und wir möchten dieses Übrigseiende miteinander teilen, es kündigt sich ganz deutlich an, nur um dann ins Slapstick-hafte abzurutschen. Irgendwas ist mit der Tür, sie fällt auseinander, oder sie hat ein Loch, es ist nicht ganz klar, am Ende stehe ich mit dem, was Tür war, da und bemerke, dass es kaum mehr als etwas Schaumstoff, ähnlich einer Isomatte, ist. Dennoch kann ich das irgendwie richten, der Traum verschwendet damit keine Zeit.

Aber die Stimmung ist nun eine andere, die lockere Indoor-Kleidung ist nun dem straßentauglichen Alltagsdress gewichen. Wir sitzen nah beieinander, immer noch einander zugewandt; wir wissen und bedauern beide, dass wir unseren Moment hatten und ihn nicht leben konnten. Keine schlechten Gefühle. Ich erwache.

[Erste Assoziation: Intimität kann nicht hergestellt werden, folglich auch keine Sexualität, sehr schade.]

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[Nachgedanke: Wer braucht Träume, wenn sie im Klartext daherkommen?]

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[Mein Hirn spielt mir die Zeile eins Musikstückes ein: „Who the Fuck is Alice?“ Von wegen Klartext.]

25032 – Risiken

Zeichnen zu lernen hat vielerlei positive Effekte. Einer davon ist, dass es erlaubt, alte Gedanken neu zu denken. Wenn mensch den Zeichenprozess als Metapher begreift, bildet er lange Gewußtes, vielleicht auch nur Gedachtes, neu ab.

Ein Beispiel: Die mit Aquarellstiften nachkolorierte Strichzeichnung von gestern beendete ich zu einem Zeitpunkt, an dem ich aufhören konnte – so habe ich das auch beschrieben – und zu einem Zeitpunkt, an dem ich die nächsten Schritte bedenken wollte. Ehrlicherweise sollte ich schreiben “ die nächsten Schritte hinauszögern wollte“, denn eigentlich war klar, was zu tun sei. Das Bild – und ich nehme es hier als Metapher für mein Leben – war zu flach, zu wenig dynamisch, ihm fehlte Kontur. Im ersten Anlauf ist das bei mir oft so.

Es geht um Risiken, die großen, nicht die kleinen. Im Falle des Bildes geht um das ganze (!) Bild, ich könnte es komplett (!) verderben, nicht nur etwas schlechter machen. So zumindest meine Einschätzung. Eigentlich geht es nur um Schatten, das Bild braucht sie, um Tiefe zu gewinnen (genau genommen braucht das Bild noch mehr, aber um den Gedanken weiter zu spinnen, genügen die fehlenden Schatten). Das mit den Schatten ist so ein Ding, seitdem ich um mein Problem damit weiß, schaue ich mir an, wie andere das lösen. Was soll ich sagen, die sind halt mutig, machen Sachen, die mir nicht einfielen, tragen dick auf, verwenden harte Kontraste und grell-abgedunkelte Farben. Nichts, womit mensch sich im wirklichen Leben Freunde macht. Oder vielleicht doch?

Soweit es das Bild betrifft, weiß ich zumindest ungefähr, was zu tun ist, ich kann es bei anderen ja abschauen. Bin generell auch bereit dazu. Und bleibe dann doch zu zaghaft, zu vorsichtig.

Und hier muss ich einen kleinen Bogen zu meiner Therapie schlagen. Bisher konnte ich mich mit meiner Therapeutin nicht darauf einigen, wie ich in Bezug auf Risiken in der Welt stehe. Sie hält mich für jemanden, der gerne mal ein zu großes Risiko eingeht, ich halte mich für jemanden, der nur Risiken eingeht, die er vorher gut kalkuliert hat. Und ja, das sind dann immer noch Risiken, aber halt solche, die ich bewusst eingehe und für tragbar halte.

Und dann gibt es Risiken, die ich gerne eingehen würde, echte, nicht kalkulierbare Risiken, von denen ich glaube, dass sie es Wert sind eingegangen zu werden. Aber vor denen ich zurückschrecke, weil ich nicht weiß, ob sie (er)tragbar sind.

Kurz zurück zum Zeichenprozess. Es ist mir schon mehrfach passiert, dass ich während des Zeichnens versuchte mutig zu sein, dann kurz erschrak und dachte: „Oh Scheiße, eben hast Du’s ruiniert.“ Meistens war’s dann doch okay, oder wenigstens okay-ish. Es ist, als könnte ich nicht mutig genug sein für diese Alles-oder-nichts-Risiken.

Kleine Motivsammlung: Zeichenprozess, alte Gedanken neu denken, Mangel an Dynamik und Kontur, Therapie, Risiken und das Unvermögen, sie einzugehen. Es ist an der Zeit, das alles zusammenzuführen.

Meine Therapeutin und ich führen eine Liste mit Themen, die wir mal kurz berührt habe, sie aber in der konkreten Gesprächssituation nicht weiter verfolgen konnten. Mittlerweile sind wir in der komfortablen Lage, dass wir uns diesen Sidequests widmen können. Es geht um den Gedanken, dass wir Beziehungen so führen müssten, als ob sie uns nichts wert seien. Beachte das Als-ob! Ich will damit sagen, dass wir bereit sein sollten, die Beziehung zu riskieren – unbequem zu sein, Unbequemes zu sagen oder zu tun – um sie überhaupt zu einer wirklichen Beziehung zu machen. „Als ob sie uns nichts wert sei“ meint, die Beziehung der Beziehung wegen Risiken auszusetzen, auch solchen, die sie möglicherweise nicht überlebt.

Ich kann anhand des Ortes, den ich erinnere, den Zeitpunkt rekonstruieren, zu dem ich diesen Gedanken das erste Mal einem Bekannten gegenüber geäußert habe. Ich war unter 18. In all meinen Beziehungen, die ich seitdem hatte, konnte ich diesem Gedanken nicht folgen, immer war ich zu zaghaft, niemals mutig genug. Es ist, als könnte ich nicht mutig genug sein für diese Alles-oder-nichts-Risiken.

Soweit der alte Gedanke, der im Zeichenprozess neue Bestätigung gefunden hat. Jetzt, da er wieder aufgetaucht ist, setze ich ihn mal ganz nach oben auf die Mal-drüber-reden-Liste.

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Ach ja, gestern habe ich geschrieben, weniger Gezeichnetes zu verbloggen. Deswegen ist das Bild von gestern, das heute Schatten, eine Spur mehr Tiefe und einen detaillierteren Hintergrund bekommen hat, auch  im Beitrag von gestern zu finden.