Depression und Testosteron

Schon in Berlin bin ich im Gespräch mit Hannah darauf gekommen, dass es möglichweise Zusammenhänge zwischen meiner verstärkt auftretenden Depression und der zurückliegenden Prostatabestrahlung geben könnte. Genauer gesag, dass aus der Prostatabestrahlung ein Testosteronmangel entstanden ist, der nun das Depressionsgeschehen begünstigt. Vielleicht erinnert Ihr Euch, ich hatte vor der Bestrahlung die eigentlich obligatorische Testosteronunterdrückungstherapie abgelehnt, weil deren Nebenwirkungen zu sehr denen einer Depression ähneln. Da schien es nicht unplausibel, wenn ein anderweitig entstandener Testosteronmangel ebenfalls depressionsverstärkend wirken würde.

Heute bin ich der Idee mal etwas nachgegangen und sie wirkt plausibler als jemals zuvor. Bekannt ist, dass der Testosteronspiegel nach einer Prostatabestrahlung sinken kann, ebenfalls wissen wir, dass zu den Symptomen eines Testosteronmangels verminderte Libido, Antriebslosigkeit, Stimmungsschwankungen und Schlafstörungen zählen (Haken an alles – ebenfalls gerne genommen sind Gewichtszunahme und erektile Dysfunktion, beides betrifft mich glücklicherweise noch nicht).

Wenn zu wenig Testosteron schlecht ist, ist die Gabe von Testosteron dann gut? Und hilft sie auch dann, wenn wir unser Symptombündel nicht unter dem Oberbegriff Testosteronmangel zusammenschnüren, sondern es Depression nennen? Nun, es gibt starke Hinweise darauf und wie immer auch Gegenstimmen (die hier nur erwähnt werden, weil ich nicht so tun will, als gäbe es sie nicht). Letztlich habe ich alles, was ich wissen wollte, in einem Atikel gefunden, den ich der Einfachheit halber hier ausführlich zitiere. Hervorhebungen und Kommentare in eckigen Klammern sind von mir.

Zum Einsatz von Testosteron bei depressiven Symptomen:

Da Testosteron sowohl die Gemütslage als auch das Appetenzverhalten beeinflusst, ist der Zusammenhang zwischen dem Steroidhormon und dem Auftreten von Depressionen seit einigen Jahren ein viel diskutierter Aspekt in der Forschung. […]

[…]

Eine Testosterontherapie führt bei hypogonadalen Männern [meint Männer mit zu niedrigem Testosterronspiegel] zur Linderung zahlreicher Beschwerden – auch eventuell vorliegende depressive Verstimmungen werden häufig reduziert. Der Einsatz von Testosteron im Rahmen einer antidepressiven Therapie wird jedoch in keiner Leitlinie empfohlen. [warum?] […]

[…]

Eine kürzlich veröffentlichte systematische Metaanalyse von Walther, Breidenstein und Miller gibt nun erneut Hinweise auf einen Nutzen. [3]

Im Rahmen der Metaanalyse wurden Daten aus 27 ausschließlich randomisierten, Placebo-kontrollierten Studien und von insgesamt 1.890 hypo- und eugonadalen Männern zwischen 40 und 80 Jahren analysiert. Grundlegend für die Studien war, dass die Bewertung des Schweregrades der depressiven Störung, sowohl vor als auch nach der Testosteron-Behandlung, durch ein validiertes psychometrisches Verfahren erfolgt sein musste. [3]

Die Auswertung zeigt, dass eine Behandlung mit Testosteron wirksam und effizient depressive Symptome reduzieren konnte. Im Vergleich zu Männern unter Placebo verringerten sich die depressiven Symptome bei Männern unter einer Testosterontherapie signifikant (p < 0,001) [p < 0,001 bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit, dass der beobachtete Unterschied zufällig ist, weniger als 0,1% beträgt]. [3] Allerdings musste das Testosteron für eine wirksame Reduktion depressiver Symptome bei hypo- bzw. eugonadalen und sowohl jüngeren (< 60 Jahre) als auch älteren Männern (> 60 Jahre) ausreichend hoch dosiert sein (> 500 mg/Woche). [3]

https://www.hormonspezialisten.de/artikel/hormonitor/
testosterontherapie-kann-depression-lindern

Klingt in meinen Ohren wie ein Grund zur Hoffnung. Leider ist mein nächster Nachsorgetermin noch etwas hin, aber da werde ich definiert nachfragen, wie es mit Testosteron für mich aussieht. Haben wollen!

Jahresrückblick 2023

Die Idee hinter dem vorgezogenen Jahrerückblich war, Euch die wenig unterhaltsame Schilderung der Jahresendzeitdepression gleich zu Beginn des Beitrags zu ersparen. Das wird zumindest in diesem Jahr nicht gelingen, zum einen weil ich hier, entgegen der behaupten Absicht, gleich mal damit einsteige, dass ich anscheinend in diesem Jahr meine Jahresendzeitdepression deutlich vorziehe. Mein gegenwärtiges Aktionslevel ist niederschmetternd niedrig.

Und genug davon, Ende des depressionsbezogenen Klagens.

Zum anderen wird es hier wenig unterhaltsam, weil das Jahr es nicht war, so gar nicht. Im Fogenden wird das unangenehm deutlich und selten war ich so unsicher, ob ich einen Text veröffentlichen sollte.  Den Ausschlag zur Veröffentlichung gab letztendlich so etwas wie der Wunsch nach Vollständigkeit, es wäre doch schade, wenn im Sammelalbum meines Lebens ein paar entscheidende Kapitel fehlen. Auch wenn sie etwas dunkel sind. Da müssen wir halt gemeinsam durch.

Zur Erinnerung, der letzte Jahresüberblick endet mit mir in der Strahlentherapie, vorsichtig optimistisch in Bezug auf die bevorstehende Heilung und die unvermeidlichen Nebenwirkungen. Womit ich, Spoiler, durchaus richtig lag, wie die regelmäßigen Kontrolluntersuchungen zeigen. Dennoch, der Dezember des Jahre 2022 hat mich zerlegt (nachzulesen hier), danach lag ich ein paar Monate in Teilen herum und  habe mich bis heute nur unvollkommen wieder zusammengesetzt. Weniger dramatisch ausgedrückt bin ich vielleicht einfach nur in meinem wahren Alter angekommen und all die Jahre davor, in denen ich mich überwiegend gesund und vergleichsweise jung fühlte, waren das Geschenk eines günstigen Schicksals, guten Karmas oder guter Gene.

Im Januar finde ich mich also in der Reha zur Prostatakrebs-Bestrahlung wieder, die nun aber auch die Folgen eines Herzinfarkts und zweier Stent-Operationen lindern soll. Wie gut das gelingt, will ich nicht beurteilen, denn drei andere Themen drängen sich tageweise und mit wechselnder Intensität in den Vordergrund. Später werde ich noch darauf eingehen, als Psycho-Themen ziehen sie sich durch den Rest des Jahres, Kraft gesaugt haben sie während der Reha sehr, möglicherweise auch deren Erfolg beeinträchtigt.

Um die Hardware-Schäden schnell abzuhandeln, Prostata und Herz werden regelmäßg von Spezialisten gecheckt und alles ist in einem erwartbaren Rahmen. Dennoch ist meine Leistungsfähigkeit gegenüber dem Vorjahr eingeschränkt und es fühlt sich so an, als würde das auch so bleiben beziehungsweise altersbedingt  abnehmen. Bei den Hardware-Schäden mitzudenken ist immer auch die Gehbehinderung durch den Archillessehnenriss links. Ich komme nur deshalb bei schnellem Laufen nicht außer Atem, weil ich gar nicht schnell laufen kann. In der Folge, vermute ich, wird auch das rechte Bein nicht ausreichend trainiert, seit dem Oberschenkelbruch vor rund zwei Jahren ist es deutlich weniger belastbar. Aber, trotz aller Einschränkungen, noch geht alles alleine und das aufzuschreiben ist schon ein erster Hinweis darauf, dass die Gedanken schon manchmal bei einer Zeit sind, in der das nicht mehr so sein wird.

Die Hardware zeigt also deutliche Abnutzungserscheinungen. Damit nicht genug, die Software ist ebenfalls ziemlich buggy. Als Meister der subtilen Überleitung komme mit dieser flappsigen Bemerkung zu den bereits angekündigten ganz und gar nicht flappsigen Psycho-Themen, denn die sind letztlich alle nur Variationen eines großen Themas, dem Sterben.

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Anlass, sich über das Sterben Gedanken zu machen, gab es genug. Als Helen Anfang Dezember starb, kam das für den Rest der Familie gänzlich unerwartet.  Wie um zu beweisen, dass auch ich „unerwartet“ kann, bekomme ich zwei Tage später einen Herzinfarkt und drei Tage später einen Stent gesetzt, die Strahlenbehandlung muss ich während der kurzen Nach-Überwachungszeit nicht unterbrechen, sie findet im gleichen Krankenhaus nur drei Stockwerke tiefer statt. Als Unterstützung für die Kinder, unsere gemeinsamen, nun erwachsenen Kinder, falle ich komplett aus, selbst meine eigene Trauer ist mir in dieser ersten Zeit nach ihrem Tod nicht zugänglich. Zu beansprucht bin ich von Strahlenbehandlung und physischem Herzleid, alles was ich möchte ist dasitzen, vor mich hin schauen und heilen.

Tatsächlich komme ich erst sehr viel später im Jahr dazu, meiner Trauer etwas mehr nachzuspüren, sie zu empfinden und zu durchleben. Im August besuche ich meinen Sohn und dessen Familie in Hamburg, wo auch Helen lebte. Im Rahmen dieses Besuchs schauen wir viele Bilder von Helen an, sprechen über sie und besuchen auch ihr Grab. Würde sie leben, hätten wir uns in diesen Tagen sicherlich getroffen; erstmals wird ihr Fehlen „wirklich“.

Wieder zuhause besucht mich meine Tochter für ein paar Tage, auch sie hat Fotos, Erinnerungsstücke und Fragen zu Helen im Gepäck. In den Gesprächen mit ihr bemerke ich in mir einen Differenzierungsprozeß, Trauer hat verschiedene Seiten, kommt mal tränenreich sentimental daher, mal resignativ bedauernd, manchmal mit Beimischungen früherer, auch schwieriger Gefühle ihr gegenüber. Alte Liebe und alte Kränkung kommen Hand in Hand. Ungelebte Chancen zeigen sich im Rückblick genauso klar wie unerfüllbare Erwartungen.

Vor wenigen Tagen wäre Helens 63. Geburtstag gewesen und bildete den Anlass, in Gedanken für einige Zeit bei ihr zu sein. Noch immer gibt es neue Facetten in diesem Gedenken, dennoch, es fühlt sich an, als sei zuende getrauert. Sie fehlt, aber ihr Fehlen schmerzt nicht mehr.

Ein anderes Ergebnis des Tochterbesuchs: es gibt jetzt endlich eine Patientenverfügung. Nach einer über einjährigen Pause, in der „eigentlich“ schon alles vorbereitet und vorgedacht war, es fehlte wirklich nur noch die Umsetzung  (ein paar Haken im Onlineformular, ausdrucken, unterschreiben) und – hier Auftritt der Tochter – jemand, dem die Aktion wichtig ist. War sie ihr, es gab eine dringende Bitte zum Termin X …, und done! Es kann so einfach sein.

Wie überhaupt, schon während des Jahres hatten wir verschiedene Telefongespräche, in denen wir durchgingen, was so alles schwierig werden kann, wenn ein nahestehender Mensch stirbt; meint: ich. Dabei hatten wir durchaus unsere emotionalen Momente, sind aber auch in der Sache vorangekommen. Meine wesentlichen Wünsche sind mitgeteilt. In Stichworten: Feuerbestattung, Friedwald, Erbverteilung. Selbst so praktische Dinge wie der Geräte- und Kontenzugang, jeweils off- und online, wurden besprochen. Mit all dem bin ich sehr zufrieden, solche Gespräche nehmen die Schwere aus dem Thema und führen zur Akzeptanz. Drüber reden hilft, selbst beim Sterben.

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Ein weiteres großes Thema war die Demenz meiner Mutter, die mir wie eine unnötig in die Länge gezogene Variation des Sterbens vorkommt. Was ich so nicht schreiben würde, wenn ich nicht irgendwann bei mir bemerkt hätte, dass ich um sie trauerte. Vergangenheitsform, der Zustand dauerte nicht lange an und fiel in die Zeit der Reha, in der ohnehin alles geballt stattfand, was ich Euch hier halbwegs sortiert erzähle. Es war, es ist, als sei sie gestorben.

Mich in ihre Demenz einzufühlen gelingt mir nicht. Zumindest nicht im Sinne eines Mit-Leidens, auch hier eher abstrakt und, nun, wertend. Demenz ist der ultimative Move aus der Auseinandersetzung und der Beziehung heraus, hinein in eine Welt, die nur ihrer Interpretation folgt. Was wahr und was erfunden ist, kann und muss nicht mehr unterschieden werden. Sie hätte dies Unschärfe auch wesentlich früher in ihrem Leben zu schätzen gewußt.

Die Demenz meiner Mutter wurde lange nicht erkannt, vielleicht auch nur verleugnet. Anfang des Jahre wurde deutlich, dass sie nicht mehr alleine in ihrer Wohnung sein könnte. Da die Beziehung zu meiner Mutter immer schwierig und niemals wirklich liebevoll war, war ich nicht bereit, die Verantwortung für sie zu übernehmen und bestand darauf, dass ein gesetzlicher Betreuer eingesetzt werden müsste. Bis zur Benennung einer Betreuerin dauerte es mehrere Monate, in dieser Zeit blieb ich gezwungenermaßen Ansprechpartner Nummer Eins für Nachfragen bezüglich ihres Verbleibs, die ich regelmässig nicht beantworten konnte.  Schmerzhaft deutlich wird auch, wie dysfunktional die Restfamilie ist, der Umgang miteinander ist – in der schwächstmöglichen Formulierung – unfreundlich und kontraproduktiv. Die Auseinandersetzung damit verschwendet unnötig viel Kraft, die ich an anderen Stellen sehr gebrauchen könnte.

Mir, und auch der irgendwann dann eingesetzten gesetzlichen Betreuerin, war von Beginn der Misere an klar, dass Mutters Wohnung aufgelöst und verkauft werden müsste. Insgesamt dreimal war ich, zum Teil mehrere Tage, in der Wohnung um Papiere zu sichten und Erinnerungsstücke zu entnehmen. Jeder dieser Besuche brachte Photoalben oder Schriftstücke zutage, die bewahrenswert sind. Insbesondere beim letzten Besuch, gemeinsam mit meiner Tochter, fanden wir nochmals alte Urkunden aus einer Zeit, als meine Mutter genealogische Nachforschungen betrieben hat. Im Ergebnis habe ich nun Kisten voller Zeugs bei mir herumstehen, von dem ich nicht weiß, wohin ich damit soll. Vieles davon könnte digitalisiert werden, ich habe auch schon damit begonnen, letztlich ist das aber aufwändiger, als ich zunächst dachte. Seit mehreren Wochen (hoch einstellig) steht das Zeug nun unangetastet herum und wartet auf weitere Entscheidungen meinerseits.

Emotionen bezüglich meiner Mutter sind mir kaum zugänglich, vielleicht auch wirklich nicht vorhanden. Ins Leiden kam ich immer nur, wenn von außen die Erwartung an mich herangetragen wurde, dass ich etwas für sie zu fühlen und in der Folge auch zu entscheiden hätte. Seitdem die gesetzliche Betreuerin eingesetzt ist und ich meine Mutter gut untergebracht weiß, beschäftigt sie mich wenig. Oder nur auf eine sehr abstrakte Weise. Ich schaue mir die Fotos aus der Zeit an, als ich noch nicht geboren war, und habe Phantasien darüber, wer diese Elternmenschen waren, damals. Oder spätere Fotos, die den Übergang in eine Zeit zeigen, die ich irgendwann dann auch miterlebte. Nachfragen kann ich nichts mehr, ich bin ganz frei, mir Geschichten auszudenken.

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Mir ist danach, den Text an dieser Stelle kurz zu unterbrechen. Schon jetzt ist dieser Jahresrückblick nicht unbedingt ein Gute-Laune-Text, aber ab hier wird es düster. Empathiebegabte Menschen werden nach dem Lesen traurig sein. Ganz ehrlich, Ihr müsst Euch das nicht geben. Wenn Alter, Krankheit und Tod gerade nicht in Euren Tag passen, dann solltet Ihr jetzt aufhören zu lesen und später wiederkommen. Oder gar nicht. Aber natürlich könnt Ihr auch einfach Jahresrückblick 2023 weiterlesen

Kleine Dosen im Selbstversuch

Montag, 22.5.2023, 1. Tag, 1. Woche
Ich habe mich entschlossen, zur Besserung meiner Depression ein Experiment mit Microdosing  zu unternehmen und den Verlauf zu dokumentieren. Wie man auf so etwas kommen kann, findet ihr hier mit weiterführenden Links ausführlich beschrieben.

Beginnend heute werde ich die nächsten sechseinhalb Wochen jeweils an den ersten drei Wochentage 0,75 Gramm psylocibinhaltiger „Truffel“ zu mir nehmen. Truffel darf man in den Niederlanden legal verkaufen, kaufen und verwenden. Verkauft wird in Packungen a 15 Gramm, das sind dann jeweils 1 bis 2 wirksame Dosen. Die von mir eingenommene Menge entspricht also weniger als einem Zehntel der wirksamen Dosierung für einen milden Rausch. Das ist Absicht, deswegen das Micro vor dem Dosing. Händler verkaufen auch fertig abgewogene Portionen für das Microdosing, die haben dann jeweils genau ein Gramm, ich werde auf die alten Tage also vorsichtig und konservativ.

Die erste Einnahme dehne ich über mehrere Stunden, aus unklaren Gründen habe ich einen schlechten Geschmack erwartet, aber das Zeug schmeckt kaum nach irgendetwas, womit ich es vergleichen könnte. Keine besonderen Vorkommnisse.

2. Tag
Keine besonderen Vorkommnisse.

3. Tag
Gedanken zur Ergebniserhebung, woran würde ich bemerken, dass eine Wirkung eintritt? Ich brauche ein Bewertungsschema für Tagesbefindlichkeiten! Aktiv gewesen, länger als gestern, kürzer als aus anderen Jahren gewohnt.

2. Woche, 4. Tag
Ersteinmal die montägliche Einnahme verpasst, neben allen anderen Medikamenten, ich war abgelenkt, die meiste Zeit des Tages. Ich verschiebe auf Dienstag. Das funktierniert dann ungestört. Ich teile die Microdosis nochmal auf zwei Einnahmen über den Tag verteilt, das werde ich diese Woche auch beibehalten. KbV, aber ich bin aktiv, naja, aktiver als meistens in der letzten Zeit, immer noch nicht aktiv-aktiv.

5. Tag
Lustlos, aber aktiv.

6. Tag
Weil ich abgelenkt bin, vergesse ich die Medikamenteneinnahme während des Tages komplett, die Medis werfe ich abends alle zusammen ein, die Microdosis verschiebe ich auf den nächsten Tag. KbV.

3. Woche, 7. bis 9. Tag
Die Einnahme der Microdosis nun auf einmal. Das langsame Hochdosieren war eine Vorsichtsmaßnahme, wie erwartet und gewünscht ist kein Unterschied zu irgendeiner Version meines Alltags zu spüren. Zugleich ist es die erste Woche, in der ich mich fühle, wie ich mich „immer“ im Sommer fühle: gerade aktiv genug, um Spass daran zu haben und Erfolgserlebnisse zu generieren (Schüttung).

Was zugleich aber das Hauptproblem meiner kleinen „Studie“ ist, sie ist keine. Begründung später. [Geschmack und Verderbnis]

So nicht!

4. Woche, 10. bis 12. Tag
Sommerlich aktiv, keine Besonderheiten. Ich bemerke am 12. Tag, dass alle abgepacken Portionen in ihren Tütchen angefangen haben, zu schimmeln (oder irgenetwas anderes, was Pilze halt so tun). Streng genommen ist dies die erste wirkliche Erkenntnis aus meinem Experiment, so geht es nicht! Wir lernen, was wir vorher schon wussten: eigene Versuche schaffen Prozesswissen, das es nicht zu lesen gibt.

5. Woche, 13. und letzter Tag dieses Versuchs
Eine Mikrodosis konnte ich noch retten, auch wenn sie schon deutlich schimmelig geschmeckt hat. Und Schluß.

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Was hat’s gebracht?
Danke, dass Sie fragen, das ist eine sehr gute Frage! Trauriger Fakt ist, dass ich es nicht weiß. Jede Stimmungsaufhellung in der betreffenden Zeit könnte auch einfach der beginnenden Heißzeit zuzuordnen sein. Falls es wer nicht weiß, ich brauche zur bestimmungsmäßigen Funktion eine gewisse Betriebstemperatur, die in unseren Breitengraden nur in den Sommermonaten erreicht wird. Gerade geht es mir gut, weil es mir sowieso gut gehen würde.

Insgesamt ist also das Ergebnis weniger deutlich, als bei meinen anderen Depressionsabhilfen, den Serotoninwiederaufnahmehemmern und dem Laufen. Das ist es, was ich jedem mitgeben möchte, der sich vielleicht aus eigener Betroffenheit bis hierher durch den Text gequält hat und bisher genau nichts erfahren hat.

Laufen hilft schnell und deutlich, ein trüber, lustloser Tag fühlt sich nach fünf bis zehn Kilometer Strecke vollkommen anders – besser – an. Wer es packt, sich vor dem Lauf durch die schlechte Stimmung nicht aufhalten zu lassen, hat gewonnen.

Die Serotoninwiederaufnahmehemmer sind schwieriger zu beurteilen, ich würde dazu neigen ihnen keine (!) Wirkung zuzuschreiben, wenn es nicht ein paar Indizien gäbe, dass sie zumindest irgenetwas tun. Während der Einnahme habe ich zweimal Spontankäufe im dreistelligen Bereich getätigt, das ist ansonsten außerhalb der Möglichkeiten meines Naturells. Und – vielleicht wichtiger – ich habe während der Einnahme mit dem Laufen angefangen, auch das etwas, was zuvor nicht zu erwarten gewesen wäre. Eher im Gegenteil, ich habe mich zuvor über Läufer eher lustig gemacht. Abgesetzt habe ich die Medis jeweils, weil ich fast schon körperliche Widerstände gegen die Einnahme entwickelte. Ich mochte sie auf eine sehr entschiedene Weise nicht mehr.

Abschließend: Wenn ich könnte (was ich nicht kann), würde ich laufen (Empfehlung!). Wenn’s legal wäre (was es nicht ist), würde ich mit Pilzen und LSD experimentiernen (gerne auch unter Begleitung mit höheren Dosen). Weil ich’s kann und es legal ist, würde ich notfalls auch Serotoninwiederaufnahmehemmer nehmen. Nur, so nötig habe ich es noch nicht.

 

Kleine Dosen

Auf spektrum.de gab es vor nicht allzu langer Zeit einen Übersichtsartikel zu Microdosing, meint: der regelmässigen Einnahme psychoaktiver Drogen unterhalb der Wirkschwelle. Menschen machen das zum Zwecke der Gesundung oder zur Steigerung der Leistungsfähigkeit. Zu beidem gibt es deutliche Hinweise, dass das nicht völlig aus der Luft gegriffen ist. Depressionen und Ängste sollen sich bessern, Konzentration und Kreativität zunehmen.

Schon einige Tage zuvor war mir das Thema im Rahmen einer Pilz-Doku („Die fantastische Welt der Pilze“ in der Mediathek) begegnet. Eine Suche im Netz bringt dann weitere Bewegtbildinhalte der öffentlich-rechtlichen Sender zutage, mal kurz, mal länglich-gesprächslastig. Und alles interessant vor allem unter einem Aspekt: der gesamtgesellschaftliche Zugang zum Thema Rauschdrogen in der Medizin scheint sich im Wandel zu befinden. Erstmals seit den 1970er Jahren gibt es wieder Forschung zum Thema und überall auf der Welt gibt es experimentelle Ansätze, Drogen in Therapien einzubeziehen.

Im Wesentlichen gibt es zwei Ansätze. Erstens werden Drogen im Rahmen eines gesicherten Settings verabreicht, der anschließende Rausch begleitet und in den Folgesitzungen aufgearbeitet. Die Anzahl der „Rausch-Sitzungen“ liegt im einstelligen Bereich. Im zweiten Ansatz werden sehr kleine Dosen psychoaktiver Drogen (deswegen Microdosing, wer hätte es gedacht) regelmäßig über einen längeren Zeitraum eingenommen. Dosierung und Einnahme liegen in der Verantwortung des Konsumenten. Dabei soll es zu keinem Zeitpunkt zu einer  Veränderung der gewohnten Wahrnehmungsweise kommen, wer einen Rausch wahrnimmt, hat zu hoch dosiert.

Klare Sache, wer als Betroffener den Trip auf Krankenschein sucht, wird ihn so schnell nicht bekommen. Zufall und Glück müssten ihn in eine der wenigen klinischen Studien oder zu einem der wenigen zugelassenen Therapie-Plätze führen. Insgesamt keine guten Erfolgsaussichten. Hat aber auch sein Gutes: wir müssen uns nicht mehr kümmern.

Eine bessere Chance bietet da Microdosing als Selbsthilfe.  Auch das ist nicht ohne jede Schwierigkeit und vermutlich taucht gelegentlich die eine oder andere Sorge auf, die dann behandelt werden will. Kurz, bevor wir zur selbsthelfenden Tat schreiten, müssen wir uns kümmern, Risiken abschätzen, Vorgehensweisen klären, viel lesen und verstehen

Wenn ihr mir bis hierher gefolgt seid empfehle ich dringend, den oben verlinkten Artikel zu lesen, jetzt. Damit wir auf dem gleichen Stand sind und ich mich darauf beziehen kann. Wenn ihr gerade keine Zeit habt, dann hört einfach auf zu lesen und kommt wieder, wenn ihr Zeit habt. Ansonsten: Jetzt.

Oder ihr macht, was ihr wollt.

<O>

Was haben wir erfahren? Microdosing ist ein Trend, Die MD-Community ist von den positiven Effekten überzeugt. Dennoch: nichts genaues weiß man nicht. Microdosing scheint ungefährlich zu sein, im dümmsten Fall könnten wir es mit einem Placebo-Effekt zu tun haben. Andererseits lassen sich Wirkprinzipien benennen und schwache Effekte sogar messen. Weitere Forschung ist dringend notwendig.

Im Ergebnis scheint das zunächst etwas dünn. Was daran liegen könnte, dass der Artikel nah an seinem Thema, dem Microdosing, bleibt, während ein Großteil der Forschung sich auf den Einsatz wirkkräftiger Dosen im Rahmen konventioneller Therapien konzentriert (und dabei sehr viel überzeugter auftritt, gelegentlich sogar von „breakthrough therapies“ spricht).

Zurück zur Selbsthilfe. Als Depressionskandidat wäre ich verzweifelt genug, Microdosing eine Chance zu geben. Wenn ich denn nur wüßte, wie genau das eigentlich funktioniert. Das im Artikel angesprochene Reddit-Forum erweist sich als eine großartige Informationsquelle. Ich vermute ein Großteil der oben angesprochenen Sorgen und Ängste werden dort behandelt. Wie hoch ist eigentlich eine Micro-Dose? Welches Einnahme-Schemata gibt es? Was hilft bei Magenschmerzen oder allgemeinem Unwohlsein nach der Einnahme? Solche Fragen werden dort behandelt.

Was dort nicht behandelt wird sind Fragen der Beschaffung und was der Staatsanwalt deines Vertrauens eigentlich dazu sagt. Und das sind ja doch sehr wesentliche Fragen.

Auch der Spektrum-Artikel sagt dazu nichts, muss er auch nicht aus seiner wissenschaftlichen Perspektive heraus. Aber  spätestens wenn man das Reddit-Forum besucht hat, fällt auf, dass der Artikel Psylocybin unterrepräsentiert und nur nebenbei erwähnt („Neben LSD nutzen die Betroffenen auch Psilocybin, den Wirkstoff der »magic mushrooms« […].“ Sehr viel später im Text dann „[…] Psilocybin und LSD […] binden an einen bestimmten Serotoninrezeptor namens 5-HT2A.“). In der Microdosing-Community spielt Psiylocybin eine deutlich größere Rolle. Der Mangel an Erwähnung im Artikel ist schade, weil eine Suche nach psylocybinhaltigen Pilzen (in der Suchmachine, nicht im Wald) durchaus interessante Ergebnisse bringt, auch und gerade in Bezug auf Fragen der Beschaffung und der Legalität.

Man sollte denken, die Sache mit der Legalität sei relativ schnell geklärt. Die für das Microdosing in Frage kommenden Substanzen LSD und Psilocybin dürfen weder gehandelt noch besessen werden, wenn die treibende Kraft dahinter Rausch, Vergnügen oder Selbstverbesserung ist. Das gilt auch, wenn die Substanz, wie im Falle von Psilocybin, noch im Pilz ist. Ende aller Microdosing-Fantasien.

Aber wartet, vielleicht habt ihr schon einmal davon gehört, dass manche Sorten von französischen Schimmelkäse nach deutschem Lebensmittelrecht nicht zulassungsfähig wären. Aber weil sie in Frankreich zugelassen sind, dürfen diese Käsesorten auch in Deutschland gegessen werden. Okaaay, falls es nicht wahr ist, ist es gut erfunden.

So ähnlich auch hier, Wikipedia schreibt im Artikel zu psilocybinhaltigen Pilzen zur Rechtslage in den Niederlanden:

Das Verbot betrifft psilocybinhaltige Pilze, während psilocybinhaltige Trüffel und Pilzzuchtsets verkauft werden können. Am 13. September 2019 veröffentlichte die Steuerbehörde der Niederlande die zollrechtliche Kategorisierung und den dazugehörigen Steuersatz für magische Trüffel und hat diese damit als Genussmittel legalisiert.

Manche schließen daraus: Magische Trüffel sind seit 2019 dank Holland ein in der EU anerkanntes und legales Genussmittel in jeder Mengenordnung. So oder ähnlich steht das auch auf den Seiten mancher Versender. Dem Einen sein Käse ist des Anderen Trüffel.

Aber kann das sein? Wenn es um rechtliche Fragen geht, verlasse ich mich doch lieber auf Anwälte, diese hier und nur zum Beispiel:

„Auch wenn Anbieter von magischen Trüffeln etwas anderes behaupten: Psilocybin und Psilocin sind in der Anlage 1 zum Betäubungsmittelgesetz (BtMG) aufgeführt. Damit ist jeglicher Umgang mit Pilzen oder deren Bestandteilen in Deutschland verboten und nach § 29 Absatz 1 BtMG strafbar.

Die Begründung für die angebliche Legalität in Deutschland lautet: Die niederländische Steuerbehörde habe für die Trüffel 2019 einen Steuersatz veröffentlicht und sie damit für verkehrsfähig erklärt.

Es ist aber ein Trugschluss, dass aufgrund des gemeinsamen EU-Binnenmarktes damit automatisch eine Legalisierung in allen anderen Staaten der Europäischen Union und der Europäischen Freihandelszone (EFTA) verbunden ist. In Deutschland gilt weiterhin die bisherige Rechtslage und damit das Verbot nach dem Betäubungsmittelgesetz.“

Und damit ist jede Aussicht auf legales Microdosing in Deutschland vom Tisch. Sehr schade, das!

Im nächsten Leben werde ich Holländer, dann könnte ich mir dort einen der vielen Smartshops googlen, mir total legal magische Trüffel kaufen und was gegen meine Depressionen tun. Nur mal so zur Abwechslung.

Alle Jahre wieder …

… stellt mich das Weihnachstsfest vor die Frage, wie und wo es zu begehen sei. Das ist dieses Jahr ebenso einfach wie unoriginell, nämlich mit und bei dem Lieblingsmenschen.

In all den Jahren gab es für dieses Problem die verschiedensten Lösungsansätze; zu dieser Zeit auf Reisen zu sein (z.B. in Kalkutta oder Madagaskar) ist mir der liebste, zugleich aber auch derjenige, den ich vergleichsweise selten umsetzen konnte.

Ich erinnere mich auch an ein paar schöne Feste im Kreis von Freunden.  Und  zwei Gelegenheiten, die spektakulär in die Hose gingen. Im Moment weiss ich nicht, ob es dazu noch irgendwelche Aufzeichnungen gibt, aber sollte ich bei meinen Grabungsarbeiten in den Tagebüchern welche finden, werde ich sie hier verlinken.

Die frühesten Erinnerungen an Weihnachten sind natürlich Familienfeste, damals noch im großen Kreis, ausgerichtet von meinen Großeltern väterlicherseits. Sehr viele Menschen in einer viel zu kleinen Wohnung, dennoch über viele Jahre eine gerne wahrgenommene Pflichtveranstaltung. Vieleicht auch deswegen, weil meine Familie christliches Brauchtum nur auf die alleroberflächlichste Weise pflegte: Weihnachtbaum, eventuell ein Lied und dann dalli-dalli die Bescherung. Das eigentliche Fest war, bei bei gutem Essen zusammenzukommen, Alkohol zu trinken und gelegentlich  lautstarken Austausch zu pflegen. Selbstverständlich im Rahmen der bürgerlichen Konventionen.

Dass der Weihnachtstag und die vorangehende Adventszeit tatsächlich auch auf eine innerlich bereichende Weise gefeiert werden kann, habe ich bis heute nur ein einziges Mal erlebt, nämlich im Rahmen einer anthroposophischen Gemeinschaft, der ich kurz angehörte (Irren muss erlaubt sein!). Die einzige Zeit meines Lebens, während der ich gerne – wenn auch vermutlich furchtbar falsch – gesungen habe.

Halten wir fest: es gibt gute Erinnerungen an Weihnachten! Aber die meiste Zeit meines Lebens hat mich dieses Fest in tiefe Ambivalenzen gestürzt. Am schlimmsten vermutlich in der Zeit, als die Kinder noch klein bis vorpubertär waren. Schon der Versuch, Weihnachten nicht zu feiern, steht mit Kindern unter Strafe. Geht einfach nicht! Konsumkritik geht an Kindern ja sowas von vorbei! Auch zur Jungfernzeugung, Kreuzrittern oder Hexen und deren Verbrennung haben Kinder einen grundsätzlich anderen Zugang. Und dann erkär´ deinen Kindern alles so, dass sie es auch anderen Kindern erklären können. Unmöglich. Kurz, wir haben Weihnachten gefeiert, wie man Klebstoff aufträgt: So viel wie nötig, so wenig wie möglich! Fast schon unnötig zu erwähnen, dass meine Kinder seit sie es können bei anderen Familien feiern. Erzieher, die Wert auf Selbständigkeit legen, können das aushalten. Mit Mühe.

Aber auch jetzt, die Kinder sind schon viele Jahre aus dem Haus, kostet das Fest Mühe und will ausgehalten werden. Das liegt zum einen an dem Druck, den dieses Fest in Bezug auf Harmonie und Familienzusammenhalt aufbaut. Gibt es beides nicht bei uns. Das ist eigentlich zu allen Jahreszeiten schade, aber um die Weihnachtszeit macht es traurig.

Zum anderen ist der Mangel an Alternativen zum „Familien-„Fest, die man sich ja aufgebaut haben könnte im Laufe der Jahre, im Wortsinn beschämend. Enge Freunde gibt es nicht (mehr) und nur wenige Menschen, von denen ich mir vorstellen könnte, mit ihnen zu feiern. Und auch dieser Mangelzustand, im Rest des Jahres wenig wahrgenommen, drängt um Weihnachtszeit und Jahreswechsel ins schuldhaft Bewusste. Hässliche Sache, das. Einmal im Jahr muss ich da durch.

Update 7.2.2020: And now something completely different …

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