24863 – Figurengarten an der Wieseck

Schon im Januar 2018 kam ich während eines Spaziergangs an der Wieseck an einem etwa schrebergartengroßen Grundstückchen vorbei, das mit vielen, sehr verschiedenen Betonfiguren vollgestellt war. Danach habe ich dieses Gärtchen mehrfach gesucht, aber nicht mehr gefunden.

Vor einigen Tagen kam ich dort zufällig mit dem Fahrrad vorbei und diesmal habe ich mir den Ort gemerkt und werde ihn wiederfinden. Leider ist das Tor verschlossen und der Zaun mit allerlei Astwerk verstärkt. Zugegebenermaßen begründet, den ich würde einfach aus der Lust heraus, mir diese Figuren genauer anzusehen, hineingehen oder -steigen, wenn es denn problemlos möglich wäre. Aber wer weiß, vielleicht kommt der Tag, an dem „problemlos“ kein Kriterium mehr ist!

24862 – Mandala für Ursula


Bin gerade tief in meinen alten Tagebüchern. Das ist nicht nur gut, aber gelegentlich stoße ich auf Einträge, an die ich lange nicht dachte. So war mir wirklich nicht mehr bewußt, dass ich einige meiner Mandalas in den Tagebüchern vorskizziert habe. Und ich mag es sehr, meine Entwürfe mit den ausgeführten Arbeiten zu vergleichen. Nebenstehend der Entwurf vom 7.1.1990, oben die Ausführüng zwei Tage später.


Den Entwurf fand ich beim Bättern und habe dann sehr schnell beschlossen, ihn Euch zusammen mit dem ausgeführten Mandala zu zeigen. Und zwar deswegen, weil ich das Mandala einige Tage zuvor schon einmal in der engeren Auswahl hatte, dann aber davon Abstand nahm, weil es mir im unteren Teil zu dunkel war.

<O>

Soweit war ich im Text, meint: fertig.

Interessehalber und weil es so einfach war, habe ich im Tagebuch zwei Seiten zurückgeblättert, um zu sehen, was eigentlich unmittelbar vor diesem „dunklen“ Entwurf geschehen war. Denn ich ordnete mir diese Dunkelheit zu. Stattdessen stieß ich auf einen Zusammenhang, der – fast fünfunddreißig Jahre lang nicht erinnert – bis heute und eineinhalb Meter nah an mich heranreicht. Das halte ich für bemerkens- und beschreibenswert.

Bei meinem Feuerholz, also nahe dem Ort, an dem ich gerade sitze, liegt ein Bildband, der eine psychoanalytische Deutung des Märchens „Das Mädchen ohne Hände“ enthält. Und es liegt dort in großer Ambivalenz, es wurde erst kürzlich während meiner Bücherumräum-Aktion dorthin gespült. Eine oberflächliche Ansicht (erstmals wieder nach vielen Jahren) hatte mich abgeschreckt: zu grausam (ja wirklich, sogar als Märchen) und zu religiös im Ausgang und in der Ausdeutung. Aber so unglaublich schöne Illustrationen …, ich wusste nicht, ob ich mich davon trennen sollte oder nicht.

Auf den Seiten, die ich im Tagebuch aufschlug, las ich die lange vergessene Geschichte, wie ich zu diesem Band gekommen bin. Im Januar 1990 nahm ich regelmässig an einer Therapiegruppe teil, Ursula war eine Mitklientin, die sich das Leben nahm. Den Rest erzählt das Tagebuch:

3.1.1990
„Ursula ist tot. Seit heute Mittag wissen wir es sicher. Zuvor die starke Ahnung.

Heute Abend fuhr es in mir Achterbahn. Heftige körperliche Reaktion; schlecht war mir, wie selten in den letzten Jahren. Ich stand irgendwo zwischen Kotzen und Weinen. Kotzen konnte ich gar nicht, weinen nur wenig. Schlimm war, für den Zustand keinen Namen zu haben, in Gedanken all die Etiketten durchgegangen, die wir hier ständig angeboten bekommen: Trauer, Wut, Schmerz, Kränkung, Ohnmacht, nichts von all dem. Ohne Namen..

Schlimm auch, zu bemerken, dass es nicht half, eine Schulter, eine Hand angeboten zu bekommen. Das “stille Toben“ blieb in mir. Irgendwann war ich dann müde, oder besser: ich wollte in mein Bett […]. Bin schnell eingeschlafen und ca. eine dreiviertelstunde später wieder aufgewacht.

Nach dem Aufwachen geht es mir wieder besser. Habe mir unsere Ecke mit Kerzen, Musik und Tagebuch eingerichtet, schreibe und spüre, dass das so richtig ist. […]

The winds fell 
and there came a great calm

Bleibt mir, morgen in der Gruppe noch Ursula’s “Abschiedsgeschenk” anzusprechen. Sie hat mir ein Buch ausgeliehen, ein Märchen und dessen tiefenpsychologische Ausdeutung, das “Mädchen ohne Hände”. Ich glaube tatsächlich, dass sie es mir geschenkt hat, denn sie hat es mir auf so unbestimmte Art und Weise geliehen, wie es möglich war, ohne mich argwöhnisch zu machen. Ich solle es nehmen, lesen wann ich wolle und auch ins Wochenende mitnehmen, mir keine Gedanken darum machen, wann ich es ihr zurückgebe. All das nicht mit diesen Worten, aber mit dieser Botschaft.

Trotzdem brauche ich noch von außen die Bestätigung, dass ich es wirklich behalten darf, das andere das auch so sehen, dass ich nicht irgendwelche Erben betrüge.

Kern der Ausdeutung und Ende des Märchens nach langer und schmerzensreicher Geschichte ist die Aussage, dass wir alles (ALLES) nur aus Gottes Gnade bekommen. Wenn wir etwas von Menschen bekommen, ist dies immer zu wenig oder wendet sich ins Gegenteil. Es sei denn, diese Menschen sind Mittler oder Überbringer göttlicher Gnade.

Soweit mein Verständnis der Geschichte nach erster und oberflächlicher Lektüre. Ich werde sie sicher noch mal genauer lesen. Irgendwie habe ich das Gefühl, mit dem Buch eine wichtige Botschaft hinterlassen bekommen zu haben; so als hätte sie mir überreicht, was ihr nicht mehr helfen konnte, ihr aber wertvoll genug erschien, um es in verständige Hände weiterzugeben.“

Es folgt im Tagebuch die oben gezeigte Skizze

24861 – Der Barnum-Effekt

Sprachmodelle sind schon bemerkenswert gut, wenn es nicht so genau drauf ankommt. Wer möchte (und ich mochte) kann sich ganze Konversationen nachstellen lassen. Besonders überrascht hat mich die Verwendung des Kyklos (die Wiederholung eines Anfangselementes am Ende des Textes), wodurch die Konversation einen unerwartet runden Abschluss erhält. Aber lest selbst:

ChatGPT: […]

Ich: Nochmal, weil nur fast richtig. Sprecher B nennt Persönlichkeitsmerkmale, die ihm in einem Horoskop zugeschrieben werden. Sprecher A antwortet mehrfach mit „Da gehe ich mit.“ Sprecher A möchte im weiteren Verlauf des Gesprächs den Barnum-Effekt erläutern. Wie könnte das Gespräch weitergehen?

ChatGPT:
Ah, verstanden! Sprecher A möchte zunächst mit „Da gehe ich mit“ Zustimmung signalisieren, um später den Barnum-Effekt zu erklären. So könnte die Konversation weitergehen:


Sprecher B: „In meinem Horoskop steht: ‚Sie haben ein starkes Bedürfnis nach Harmonie, aber wenn es darauf ankommt, können Sie auch konsequent Ihre Meinung durchsetzen.'“

Sprecher A: „Da gehe ich mit.“

Sprecher B: „Und dann steht da: ‚Sie sind meist offen für Neues, aber manchmal brauchen Sie auch Rückzug, um Kraft zu tanken.'“

Sprecher A: „Da gehe ich auch mit.“

Sprecher B: „Außerdem: ‚Andere schätzen Ihre Verlässlichkeit, aber Sie haben oft das Gefühl, dass Sie nicht genug dafür zurückbekommen.'“

Sprecher A: „Da gehe ich mit.“

Sprecher B: „Das passt wirklich total zu mir! Dieses Horoskop ist verblüffend genau.“

Sprecher A: „Das klingt wirklich so, als würde es genau zu dir passen. Aber weißt du, was das Spannende ist? Das liegt am sogenannten Barnum-Effekt.“

Sprecher B: „Barnum-Effekt? Was ist das?“

Sprecher A: „Das ist ein psychologisches Phänomen. Dabei empfinden Menschen vage und allgemeine Aussagen – wie die in deinem Horoskop – als etwas sehr Persönliches. Es fühlt sich an, als würden sie genau auf dich zugeschnitten sein, aber tatsächlich könnten sie auf fast jeden zutreffen.“

Sprecher B: „Hm, wie meinst du das?“

Sprecher A: „Nimm mal die erste Aussage: ‚Sie haben ein starkes Bedürfnis nach Harmonie, können aber konsequent Ihre Meinung durchsetzen.‘ Das klingt spezifisch, aber ehrlich: Wer hätte nicht das Bedürfnis nach Harmonie? Und wer kann nicht manchmal konsequent sein, wenn es wichtig wird?“

Sprecher B: „Okay, stimmt, das könnte wohl auf viele zutreffen.“

Sprecher A: „Genau! Das Gleiche gilt für die Aussage, dass du offen für Neues bist, aber auch mal Rückzug brauchst. Das sind ziemlich universelle Eigenschaften. Jeder Mensch braucht mal Rückzug, und die meisten würden von sich sagen, dass sie in irgendeiner Form offen für Neues sind.“

Sprecher B: „Aber warum fühlt es sich dann so passend an?“

Sprecher A: „Weil solche Aussagen so formuliert sind, dass sie sich individuell anfühlen. Und wir suchen unbewusst nach Bestätigung für unser eigenes Selbstbild. Das nennt man den Bestätigungsfehler – wir konzentrieren uns auf die Teile der Aussage, die für uns stimmen, und ignorieren, dass sie genauso gut für andere stimmen könnten.“

Sprecher B: „Also bin ich quasi selbst der Grund, warum ich das Horoskop für so genau halte?“

Sprecher A: „Exakt. Dein Gehirn macht den Rest der Arbeit. Deswegen funktionieren Horoskope, Wahrsagerei oder auch unseriöse Persönlichkeitstests so gut – sie nutzen genau diesen Effekt aus.“

Sprecher B: „Wow, das ist echt faszinierend. Jetzt werde ich Horoskope wohl mit ganz anderen Augen lesen.“

Sprecher A: „Da gehe ich mit.“


In dieser Version nutzt Sprecher A zunächst „Da gehe ich mit“, um Zustimmung zu signalisieren, führt das Gespräch dann aber geschickt zum Barnum-Effekt und erklärt, warum die Aussagen aus dem Horoskop so universell wirken.

24860 – Nacht der Lichter mit Liedern aus Taizé

Gestern während des Thekendienstes auf die Veranstaltung in der Bonifatius-Kirche aufmerksam geworden, die auf der Seite der Gemeinde folgendermaßen beworben wird:

Gemeinsames Beten und Singen, meditative Texte und Stille wechseln sich ab. Für alle, die sich eine spirituelle Atempause gönnen wollen, ist dieser Gottesdienst genau das Richtige.

Nun bin ich von Gott und Religion so weit weg, wie mensch als nichtpraktizierender Buddhist, also fast schon Atheist, sein kann. Aber, soviel wusste ich, ich würde dort weinen können. Viele Jahre zurück, bei einem Kurzbesuch in Taizé, war ich schon einmal zu Tränen gerührt von den Gesängen, ohne dass ich damals hätte sagen können, worüber ich weinte.

Das ist diesmal anders, ich weine und es tut gut, ist befreiend, nimmt Druck. Ich bin dankbar.