Weil ich gestern die Thumbnails erwähnte und im Bild auch zeigte, will ich heute einmal das Original, meine Kopie davon und das dazugehörige Thumbnail nebeneinander stellen.
Rechts im Bild seht Ihr „Zwei hockende weibliche Akte“ von Otto Müller, links meine Kopie und von unten eingeschoben das Thumbnail. Die Original-Abbildung stammt aus einem Bildband zur Künstlergruppe „Die Brücke“, der auf meinem Esstisch liegt und in dem ich morgens gerade regelmäßig blättere. Und manchmal etwas daraus kopiere.

Seitdem ich versuche, mir näherungsweise naturalistisches Zeichnen beizubringen (verstanden als: man erkennt, was es ist, und es ist kein Icon, keine Karikatur, kein Comic und auch keine Abstraktion), schaue ich Bilder anders an, gelegentlich auch kritischer oder so, als hätte ich sie gezeichnet. Ich frage mich, was es ist, das das Bild zum „funktionieren“ bringt. Eine Frage, die ich nicht immer beantworten kann. Was ich aber festgestellt habe, immer wenn ich ein Bild mit meinen Mitteln kopiere, bekomme ich zumindest eine Teilantwort auf meine Frage.
Ein kleines Beispiel: Wenn Ihr meine Kopie mit dem Original vergleicht, könnt Ihr bemerken, das ich die umgebende Vegetation nicht bis ganz an die Figuren herangeführt habe. Das war keine Absicht, ich habe mich – ohne es zu bemerken – nicht getraut. Ich traue mich auch jetzt noch nicht, obwohl ich sehe, dass das Original besser funktioniert. Solche Bemerknisse führen mich dann oft zu einem weiteren Arbeitsschritt, ich kopiere meine Kopie auf dem Laserdrucker (das Gegenteil von „Vermeide Wiederholungen!) und teste auf den Kopien dann mögliche Veränderungen. Jugend forscht!
Die Geschichte mit den Thumbnails ist zufällig entstanden und ich behalte sie bei, weil auch hier ein Lerneffekt zu bemerken ist. Der Transfer in eine andere Größe erfordert immer mal wieder weitere Transfer-Leistungen, andere Strichstärken sind zu berücksichtigen, das Format ist anzupassen, manchmal passt es auch einfach nicht, manchmal kommt Farbe dazu, wo vorher keine war. Manche Erklärbären bezeichnen den künstlerischen Prozess als eine Reihe von künstlerischen Entscheidungen. Bedeutet: beim Transfer von der Kopie zum Thumbnail sind nocheinmal vollkommen andere Entscheidungen zu treffen. Die auch falsch sein können! Auch hier ein kleines Beispiel, die drei Akt-Thumbnails im Kreativkalender vom Oktober sind eine solche Fehlentscheidung, die Ausführung mit Filzstift lässt sie naiv errscheinen und bringt sie in die Nähe von Toilettenkritzeleien. Das Bleistift-Thumbnail von heute vermeidet diesen Eindruck und wirkt gekonnter (ich hoffe, das wird so bleiben, ich möchte noch ein paat vorsichtige Veränderungen daran vornehmen).
