Blaupausen sind nicht die Lösung

Ich zerbrach mir den Kopf darüber, welche Regeln funktionierten und welche nicht, bis mir klar wurde: Es gibt kein allgemeingültiges Regelwerk. Es geht nicht darum, welche Regeln es gibt, sondern dass es Regeln gibt. Ich nannte das Design-Prinzipien. Gemeinschaften, die ein klares Regelwerk entwickelt hatten, konnten über lange Zeit erfolgreich sein.

Auch jene, die Mechanismen zur Lösung von Konflikten entwickelt hatten, waren erfolgreich. Ich kam auch zu dem Schluss: Die Menschen waren bei der Verwaltung von Gemeingütern vor allem dann erfolgreich, wenn sie ihre eigenen Regeln entwickeln konnten.

Elinor Ostrom ist Professorin für Politikwissenschaft an der Indiana University in Bloomington. Sie ist die erste Frau, die mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet wurde. Ostrom habe gezeigt, „wie gemeinschaftliches Eigentum von Nutzerorganisationen erfolgreich verwaltet werden kann“, heißt es in der Würdigung der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften.  Das ganze Interview mit ihr gibt es hier.

Alle Jahre wieder

Dieser Artikel ist einem Sonderschulpädagogen gewidmet, der die Sorge um Gemeingüter in die Nähe zum Sozialismus stellt. Andererseits (schulterzuck), warum gebe ich mich überhaupt damit ab?  Sozialismus an sich ist ja auch nicht schlimm, der ist eher so wie Beton (vor-sich-hin-grins), kommt drauf an, was man draus macht.

OK, Du bist gemeint, nimm das:

„Bildungseinrichtungen sollen sich so auf ihren vorrangigen Zweck, das Vermitteln von Bildung, konzentrieren können, statt sich um Lizenzproblematiken zu kümmern. Denn niemand kommt auf die Idee, dass es strafbar sein könnte, Kopien der Noten von Jahrhunderte altem Liedgut anzufertigen. Vor allem, da auch Abgaben für die Kopiergeräte gezahlt werden. Und trotzdem müssen die Kopien in den meisten Fällen nochmal explizit bei der GEMA bezahlt werden. Unser Ziel war es, ein kleines Notenbuch mit Liedern für die Vorweihnachtszeit zusammenzustellen, das jeder legal und kostenfrei kopieren und verteilen darf. Ich möchte mich bei all denen bedanken, die uns hierbei geholfen haben.“

Christian Hufgard, 1. Vorsitzender des Musikpiraten e.V.

Das erwähnte Heftchen gibt es hier als pdf-Datei und auf diesen Seiten ist die Geschichte nochmals erläutert (außerdem ist dort das Heft auch in anderen Formaten verfügbar). Viel gemeinfreien Spaß damit.

Update (2.12.2010): Telepolis hat die Geschichte auch als Meldung, plus ein paar Hintergründe.

Lesebefehl: Der Gemeingüterreport – Wohlstand durch Teilen

Gemeingüter-Cloud

Zur Einführung kopiere ich Euch einen Text von Simon Columbus, den er dankenswerterweise zur Weiterverwendung freigegeben hat (Creative Commons Lizenz CC-BY-SA).

Nicht erst seit der Verleihung des Nobelpreises für Wirtschaftswissenschaften an Elinor Ostrom erleben die Gemeingüter eine Renaissance. Die gemeinschaftliche Verwaltung von Ressourcen macht Hoffnung auf ein besseres Wirtschaften. Der Gemeingüter-Report (Download PDF, 52 Seiten, 2MB) stellt die „Allmende“ in leicht verständlicher Form vor.

Silke Helfrich, Rainer Kuhlen, Wolfgang Sachs und Christian Siefkes zeigen auf, wo Gemeingüter gesellschaftliche Chancen bieten. Beispiele aus Natur, Gesellschaft und Kultur machen anschaulich, auf wie vielen Feldern Ressourcen gemeinschaftlich verwaltet und genutzt werden können. Zugleich machen die Autor_innen aber auch deutlich, dass diese Ressourcen in Gefahr sind. Es bedarf einer starken Vision, um sie bewahren.

Das Liegstuhl-Beispiel

Was sind Gemeingüter? Heinrich Popitz erklärt es am Beispiel von Liegestühlen auf einem Kreuzfahrtschiff. Es gibt weniger Plätze als Passagiere, doch solange die Liegen frei werden, sobald jemand aufsteht, und die Urlauber sich immer wieder abwechseln, kommen alle in den Genuss der Sonne. Beginnt jedoch eine Gruppe, Liegestühle dauerhaft in Beschlag zu nehmen, bricht diese Ordnung zusammen. Die Mehrheit der Passagiere hat das Nachsehen.

In dem Gleichnis sind Liegestühle eine begrenzt verfügbare Ressource – so wie Wälder oder Fischgründe. Anfangs werden sie als Gemeingüter verwaltet. Sie stehen niemandem allein zu. Doch wenn keine fairen und nachhaltigen Nutzungsrechte an diesen Dingen ausgehandelt oder diese Regeln gebrochen werden, leidet die Lebensqualität der Gemeinschaft. Im Miteinander und nicht im Gegeneinander müssen also tragfähige Lösungen gefunden werden.

Gemeingüter in verschiedenen Bereichen

Gemeingüter lassen sich in vielen Bereichen schaffen. Die Autoren des Reportes stellen vier Kategorien auf: In der Natur sind es unter anderem Luft und Wasser, Böden und Wälder; im Sozialen Plätze und Parks, Sport- und Freizeittreffs, aber auch Feierabend und Ferien. Sprache, Gebräuche und Wissen sind kulturelle Gemeingüter. Eine besondere Rolle spielen Gemeingüter im digitalen Raum, wo Software, aber auch Videos, Bilder und Texte häufig als Gemeingüter behandelt werden.

Gemeingüter setzen sich aus drei Grundbausteinen zusammen: Den Ressourcen, den Menschen sowie den Regeln und Normen. „Die Idee der Gemeingüter ist ohne die Bindung an konkret handelnde Menschen in bestimmten sozialen Umgebungen nicht denkbar“, erklärt der Report: Menschen nehmen die „Baustoffe“ in Anspruch.

Regeln und Normen ermöglichen es, diese Komponenten zu verbinden. Sie sollten weitgehend von der Gemeinschaft der Nutzer einer Ressource selbst bestimmt werden. „Das gelingt nur, wenn eine Gruppe von Menschen ein gemeinsames Verständnis vom Umgang mit einer Ressource entwickelt“, schreiben die Autoren. Der Historiker Peter Linebaugh bezeichnet diesen sozialen Prozess der Institutionalisierung von Gemeingütern als „commoning“.

Vielfach sind Gemeingüter unabdinglich für das Überleben des Einzelnen und das Funktionieren der Gesellschaft. Deshalb hat jeder Mensch einen Anspruch auf Teilhabe an den Naturgütern, schreiben die Autoren – unabhängig vom Privateigentum an ihnen. Genauso, wie Luft und Wasser das Überleben ermöglichen, sind soziale Gemeingüter „eine Voraussetzung dafür, dass Sozialbeziehungen florieren können. Wir alle profitieren von Räumen und Zeiten, die ungerichtete und unprogrammierte Begegnungen ermöglichen.“

Grundlage kreativer Tätigkeit

Kulturelle Gemeingüter bilden die Grundlage jeglicher kreativen Tätigkeit. Wir stützen unser Schaffen auf die Vorleistungen vorangegangener Generation, wenn wir für unser Tun aus Sprache, Wissen und Gebräuchen schöpfen. „In gleicher Weise müssen die Leistungen der Gegenwart an kommende Generationen frei zugänglich weitergegeben werden.“ Sie dürfen nicht von Einzelnen in Beschlag genommen werden, wenn aus ihnen Neues entstehen soll.

Das gerade das aber geschieht, macht der Gemeingüter-Report an markanten Beispielen deutlich. Ein südkoreanisches Unternehmen versucht, 1,3 Millionen Hektar madagassisches Farmland zu pachten. Die Laufzeiten des Urheberrechtsschutzes werden verlängert, um Rechteinhabern auch Jahrzehnte nach dem Tod der Schöpfer von Figuren wie Mickey Mouse noch Gewinne zu ermöglichen. Der Allgemeinheit werden diese Ressourcen so vorenthalten.

Gegenbeispiele zeigen, dass es anders gehen kann. Freie Lizenzen ermöglichen die Entwicklung von herausragender Software, indem sie die Offenlegung ihrer Funktionsweise ermöglichen. Das „Copyleft“-Prinzip stellt dabei sicher, dass die Programme Gemeingüter bleiben: Jeder, der die Software weiterentwickelt, wird verpflichtet, sie wieder unter einen Freien Lizenz zu veröffentlichen.

In Äthiopien dagegen hilft eine deutsche Organisation Bauern, den verbleibenden Urwald als Gemeingut zu bewirtschaften. Dorfgemeinschaften haben sich zu Waldnutzer-Organisationen zusammengeschlossen, um ihre Kaffee-Ernte besser zu vermarkten. Gemeinsam stecken sie ein Gebiet ab und legen dafür Rechte und Regeln, aber auch einen Management-Plan fest, um wirtschaftliche Nachhaltigkeit zu garantieren.

Unter dem Eindruck solcher positiver Beispiele schließt der Gemeingüter-Report mit einer Vision. Eine „Ökonomie des Teilens“, in der Geld nur eine nachgeordnete Rolle spielt, während das Gedeihen des gemeinsamen Besitzes im Vordergrund steht, erscheint greifbar.

Link zum GemeingüterreportDas also zur Einführung. Herunterladen könnt ihr den Gemeingüterreport hier, als spezielles Angebot für meine Mitbewohner habe ich eine ausreichende Anzahl Print-Exemplare von der Böll-Stiftung kommen lassen und halte sie im Gemeinschaftsraum vor.

Freibier!

Nach Software, Musik und Filmen gibt es nun auch [intlink id=“577″ type=“post“]Design[/intlink] und Bier unter einer freien Lizenz.

Wie sag ich’s meinen Eltern? – Freebeer from Blogpiloten on Vimeo.

Nachtrag: Und freies Cola gibt es auch, nachzulesen auf dem Gemeingüter-Blog.

Und weil wir gerade bei Cola sind, zwar nicht lizenzfrei , aber von einem Kollektiv produziert und vertrieben wird Premium-Cola. Aufmerksam wurde ich darauf  durch  einen Focus-Verriss bei print-wuergt.de, in dessen Rahmen man auch viel über die konsensdemokratische Produktion von Premium-Cola innerhalb einer „arschlochfreien Kette“ erfährt.

Update (20.2.2010): Auch die taz hat Premium-Cola entdeckt (zum Artikel).