So unvermeidlich wie Weihnachten: der Jahresrückblick. Letztes Jahr fiel er aus, obwohl ich ihn während des Jahres schon vorbereitet hatte. Anfang Oktober die ersten Zeilen dafür, nur um den Einfluss der Winterdepression zu vermeiden. Und dann kam ich mit meinem Rückblick gerade in die ersten Monate des Jahres 2011. Was war geschehen? Ich vermute: das Immergleiche, zu hohe Ansprüche gepaart mit Mangel an Tatkraft. Ehrlich, ich habe keine Ahnung, wie ich mit so wenig Antrieb jemals meine Ansprüche an mich erfüllen soll. Das mit „brocken-by-design“ zu beschreiben wäre verniedlichend.
Angestanden hätte die ausführliche Beschreibung dessen, was ich hier mal ganz unbescheiden als mein Lebenswerk beschreiben will: den Bau der „geodätischen Rankhilfe“. Das ist das Gerüst einer geodätischen Kuppel, die mit einem Durschmesser von 16,5 Metern meine Bauwagen überspannt. Rankhilfe, weil die Kuppel nicht geschlossen werden soll und vermutlich nur der wilde Wein daran hochranken wird (und irgendwann vielleicht auch der Blauregen, der neben dem Eingang vor sich hinmickert). Der Jahresrückblick hätte all die Daten nachliefern sollen, die in den einzelnen Blog-Beiträgen unerwähnt blieben. Kosten, Maße und Gewicht der verbauten Materialien, Arbeitszeiten der einzelnen Arbeitsgänge und was dem Hobby-Statisker sonst noch so froh macht. Über das Meiste davon gibt es Aufzeichnungen, unsortierte Aufzeichnungen, noch auszuwertende Aufzeichnungen. Vermutlich im Tagebuch, irgendwo im hinteren undatierten Bereich, vielleicht aber auch bei den Rechnungen. Oder im „Alles-über-den-Dome-Scrapbook“. Ich werde schon atemlos, wenn ich nur dran denke, den Aufwand wirklich zu leisten. Besser ich lass´ das!
Stattdessen die Kurzversion. Frühjahr und Sommer 2011 habe ich fast ausschließlich damit verbracht, die Eingangs erwähnte Rankhilfe aufzubauen. Und 2012 wurde das Teil dann ausgerichtet und mit Unmengen von Zement im Erdreich verankert. Besonders stolz bin ich darauf, das zum allergrößten Teil alleine getan zu haben (auch wenn die Neigung zum Alleine-tun manchmal etwas grenzwertig ist). Einen Nachmittag lang habe ich Hilfe gebraucht, unvermeidlich, und sie ohne Probleme bekommen. Ein Hoch auf die Nachbarschaft. Wer mehr wissen will: in der Tag-Cloud unter dome.
Und sonst? Seit Januar 2011 bin ich wieder Vorstand in unserem kleinen Wohnprojekt. Es schien mir notwendig, wieder etwas Verantwortung für die Gemeinschaftsentwicklung zu übernehmen. In meiner Wahrnehmung waren die Jahre zuvor solche der Heilung vergangener Konflikte. Leider war in dieser Zeit die Vereinsarbeit fast vollständig zum Erliegen gekommen. Zugleich hatten wir einige Neuzuzüge und es gab allerlei Verwirrung darüber, was für ein Platz wir denn seien und welche Regeln in unserem Zusammenleben denn gälten. Dazu muss man wissen, dass es bei uns sehr wenig niedergeschriebene Regeln gibt, vielmehr betreiben wir eine Spielart der mündlichen Überlieferung, die sehr eng mit dem Kinderspiel „Stille Post“ verwandt ist. Uns war das Stützgerüst allgemeinverbindlicher Regelungen abhanden gekommen. Kurz, es war an der Zeit, noch einmal durch den Prozess der gemeinsamen Regelbildung zu gehen und Anpassungen so vorzunehmen, dass sie den gegenwärtig hier wohnenden Menschen gerecht werden.
Wie immer hat dieser Prozess mehr Zeit verlangt, als wir ürsprünglich dachten. Aber nun, ungefähr 2 Jahre später, haben wir uns die meisten unserer Regeln nochmals angeschaut, sie verändert oder bestätigt und ganz allgemein nochmals ins Gedächtnis gerufen. Es gibt wieder so etwas wie „Rechtssicherheit“.
Mit einer großen Ausnahme, und die dazugehörige Themenliste haben wir nicht zufällig bis ganz ans Ende des Diskussionsprozesses geschoben. Wir sind so, wir vermeiden Konflikte. So lange es geht. Gerne auch länger. Aber nun, seit Ende des Sommers, ist es soweit, wir müssen beraten, welcher Prozess für die neuen Zuzüge gelten soll, wie wir den Gaststatus mancher Mitbewohner bewerten – den die Satzung weder vorsieht noch verbietet – und wie wir freiwillige und weniger freiwillige Auszüge regeln wollen.
Gerade um den letztgenannten Punkt ist ein Konflikt entstanden, den ich hier nicht näher beschreiben will, der mich aber doch so stark beschäftigt, dass er Teil meines persönlichen Jahresrückblicks werden muss. Als ich mich für die Vorstandsarbeit angeboten habe, war mir klar, dass ich mich bei einigen Menschen unbeliebt machen müsste. Ich wußte nicht bei wem, aber „unbeliebt machen“ gehört zur Arbeitsplatzbeschreibung eines jeden engagierten Vorstands. Ich war dann angenehm überrascht, dass die meisten meiner Diskussionsvorschläge von der Mehrheit dankbar aufgenommen wurden und sich das Unbeliebt-machen sehr in Grenzen hielt. Bis zum Ende des Sommers.
Ich hätte den entstandenen Konflikt gerne vermieden. Vermutlich hätte ich das sogar, wenn es nicht um mehr ginge, als um mich. Es geht darum, die Entwicklungsfähigkeit unseres Wohn-Projektes zu erhalten, es geht um eine schwierige Entscheidung und es geht darum, diese schwierige Entscheidung einer Mitgliedermehrheit als Vorstand gegenüber einer Minderheit umzusetzen. Womit ich mich keineswegs von dieser schwierigen Entscheidung distanzieren will, im Gegenteil. Ich habe sie vorbereitet und als Möglichkeit angeboten, ich halte sie für richtig und ich werde mich dafür einsetzen. Aber ich mache das nicht gerne, ich fühle mich dazu gezwungen. Auf der persönlichen Ebene geht es darum, für die eigene Überzeugung einzustehen, auch und gerade weil es große innere Widerstände gibt. Sich unbeliebt zu machen ist ein solcher Widerstand – und in dieser Formulierung jämmerlich und beschönigend. Ich formuliere neu: Es geht darum, für die eigene Überzeugung einzustehen, auch wenn ich mir damit die Feindschaft von mindestens zwei Menschen einhandle.
Lebensgeschichtlich ist das neu: gefühlte Feindschaft. Ich habe schon Dummheit und Arroganz anderer erleiden müssen, mit teils sehr unangenehmen Konsequenzen für mich. Feindschaft, sei sie real oder befürchtet, ist neu.
<0>
An dieser Stelle ist der Jahresrückblick weder fertig noch vollständig, aber weiter bin ich nie gekommen. Gefunden und nachträglich veröffentlicht im Dezember 2013, also mit nur knapp einem Jahr Verspätung.