Alle Jahre wieder …

… stellt mich das Weihnachstsfest vor die Frage, wie und wo es zu begehen sei. Das ist dieses Jahr ebenso einfach wie unoriginell, nämlich mit und bei dem Lieblingsmenschen.

In all den Jahren gab es für dieses Problem die verschiedensten Lösungsansätze; zu dieser Zeit auf Reisen zu sein (z.B. in Kalkutta oder Madagaskar) ist mir der liebste, zugleich aber auch derjenige, den ich vergleichsweise selten umsetzen konnte.

Ich erinnere mich auch an ein paar schöne Feste im Kreis von Freunden.  Und  zwei Gelegenheiten, die spektakulär in die Hose gingen. Im Moment weiss ich nicht, ob es dazu noch irgendwelche Aufzeichnungen gibt, aber sollte ich bei meinen Grabungsarbeiten in den Tagebüchern welche finden, werde ich sie hier verlinken.

Die frühesten Erinnerungen an Weihnachten sind natürlich Familienfeste, damals noch im großen Kreis, ausgerichtet von meinen Großeltern väterlicherseits. Sehr viele Menschen in einer viel zu kleinen Wohnung, dennoch über viele Jahre eine gerne wahrgenommene Pflichtveranstaltung. Vieleicht auch deswegen, weil meine Familie christliches Brauchtum nur auf die alleroberflächlichste Weise pflegte: Weihnachtbaum, eventuell ein Lied und dann dalli-dalli die Bescherung. Das eigentliche Fest war, bei bei gutem Essen zusammenzukommen, Alkohol zu trinken und gelegentlich  lautstarken Austausch zu pflegen. Selbstverständlich im Rahmen der bürgerlichen Konventionen.

Dass der Weihnachtstag und die vorangehende Adventszeit tatsächlich auch auf eine innerlich bereichende Weise gefeiert werden kann, habe ich bis heute nur ein einziges Mal erlebt, nämlich im Rahmen einer anthroposophischen Gemeinschaft, der ich kurz angehörte (Irren muss erlaubt sein!). Die einzige Zeit meines Lebens, während der ich gerne – wenn auch vermutlich furchtbar falsch – gesungen habe.

Halten wir fest: es gibt gute Erinnerungen an Weihnachten! Aber die meiste Zeit meines Lebens hat mich dieses Fest in tiefe Ambivalenzen gestürzt. Am schlimmsten vermutlich in der Zeit, als die Kinder noch klein bis vorpubertär waren. Schon der Versuch, Weihnachten nicht zu feiern, steht mit Kindern unter Strafe. Geht einfach nicht! Konsumkritik geht an Kindern ja sowas von vorbei! Auch zur Jungfernzeugung, Kreuzrittern oder Hexen und deren Verbrennung haben Kinder einen grundsätzlich anderen Zugang. Und dann erkär´ deinen Kindern alles so, dass sie es auch anderen Kindern erklären können. Unmöglich. Kurz, wir haben Weihnachten gefeiert, wie man Klebstoff aufträgt: So viel wie nötig, so wenig wie möglich! Fast schon unnötig zu erwähnen, dass meine Kinder seit sie es können bei anderen Familien feiern. Erzieher, die Wert auf Selbständigkeit legen, können das aushalten. Mit Mühe.

Aber auch jetzt, die Kinder sind schon viele Jahre aus dem Haus, kostet das Fest Mühe und will ausgehalten werden. Das liegt zum einen an dem Druck, den dieses Fest in Bezug auf Harmonie und Familienzusammenhalt aufbaut. Gibt es beides nicht bei uns. Das ist eigentlich zu allen Jahreszeiten schade, aber um die Weihnachtszeit macht es traurig.

Zum anderen ist der Mangel an Alternativen zum „Familien-„Fest, die man sich ja aufgebaut haben könnte im Laufe der Jahre, im Wortsinn beschämend. Enge Freunde gibt es nicht (mehr) und nur wenige Menschen, von denen ich mir vorstellen könnte, mit ihnen zu feiern. Und auch dieser Mangelzustand, im Rest des Jahres wenig wahrgenommen, drängt um Weihnachtszeit und Jahreswechsel ins schuldhaft Bewusste. Hässliche Sache, das. Einmal im Jahr muss ich da durch.

Update 7.2.2020: And now something completely different …

Alle Jahre wieder … weiterlesen

Weihnachten in Kalkutta

eingefügt 24.12.2019

24.12.1998, 80. Tag, Donnerstag

Frühstück im Blue Sky, Müsli und schwarzer Kaffee. Habe lange (durch)geschlafen, nachdem ich mich in der Nacht ausgeschissen habe (Durchfall). Bin nicht ganz in Ordnung, Husten und sehr leichtes Fieber. Werde mich jetzt nicht davon stören lassen, sondern mich gut ernähren und hoffen, dass es vorüber geht.

Nun ist es kurz vor 12:00 und ich werde meine Pläne für den Sightseeing-Tag machen.

<O>

Botanischer Garten
Erst zum Hooghli spaziert und mit der Fähre übergesetzt. Danach mir den Luxus eines Taxis geleistet um hinzukommen. Rückweg mit dem Bus für 1/14 des Fahrpreises.

Der botanische Garten ist angenehm ruhig, ein Platz zum Entspannen, was mir dort auch gelungen ist. Einfach nur darin herumgelaufen, die Pflanzen waren zum Teil interessant, für mich aber doch eher nebensächlich. Wichtig war die Ruhe, keine Autos, kein Gehube, keine Verkäufer. Für den Weihnachtstag genau richtig, beschauliches Spazierengehen.

25.12.1998, 81. Tag, Freitag
Den Weihnachtsabend im Mutterhaus von Mutter Theresa verbracht. Ab 8:00 abends eine Prozession mit Kerzen von der Heilsarmee zum Mutterhaus, Dauer circa 45 Minuten. Dort ein Krippenspiel, aufgeführt von den westlichen Volunteers mit netten, ungewollt humoristischen Einlagen.

Ab 22:00 dann eine Christmesse, deren Aufsteh- und Wieder-Hinsetz-Rituale mir etwa so unverständlich waren wie ein Kali-Tempel. Nach der Messe gab’s Kakao (geil) und Gewürzkuchen und eine Banane und eine Karte mit einem Spruch.

Zurück wollte ich eigentlich schnell und unkompliziert, aber irgendjemand hatte Fanis Markenturnschuhe mit seinen verwechselt (hoffentlich) und sie führte lange Zeit am Ausgang eine Fußkontrolle durch.

Zurück in der Heilsarmee dann noch eine mit Süßigkeiten gefüllte Socke auf dem Bett. Richtig nett.

Dennoch, irgendwie ist es unmöglich diesen Tag auf angemessene Weise zu begehen. Während der Messe hatte ich den Wunsch „zuhause“ geblieben zu sein (das war einfach nicht meine Art von Veranstaltung). Wäre ich aber zuhause geblieben, hätte ich dort gesessen und mich gefragt, warum ich mit diesem besonderen Tag nichts Besseres anzufangen weiß. Ich kann diesen Tag nicht begehen und ich kann ihn nicht ignorieren.

Vor diesem Hintergrund bin ich mit meiner Wahl bei Mutter Theresa zu feiern eigentlich ganz zufrieden. Ich schaue halt bei „fremden“ Brauchtum zu und bin so nah dran, wie mir möglich ist.

Aber natürlich ist es nicht der christliche Hintergrund, der das Fest so schwierig macht. In Deutschland ist Weihnachten das „Fest der Familie“ und das ist das, was in mir all diese widerstreitenden Gefühle auslöst, Traurigkeit und Bitterkeit und manchmal auch Aggression.

[…]

Frohe Weihnachten!