Achtsamkeit und Gewahrsein

Meditierender Frosch

Neulich war ich seit langer Zeit mal wieder auf einem buddhistischen Vortrag. Auf diesen Vorträgen gibt es selten Neues, ihr Wert liegt mehr in der Aktualisierung oder Differenzierung schon vorhandenen Wissens, gelegentlich auch der Erörterung persönlicher Auslegungen oder der Klärung von Verständnisschwierigkeiten. Wer beginnt, sich mit Buddhismus zu beschäftigen, kann Bücher lesen; wer beginnt zu meditieren kommt um Hilfe und authentisch geschilderte Erfahrungen von langjährig Meditierenden, sprich Vorträge und persönliche Belehrung nicht herum.

Eine Frage aus dem Publikum bezog sich auf Achtsamkeit und Gewahrsein, zwei Begriffe, die umgangssprachlich eng beieinander liegen und im buddhistischen Kontext zwei klar voneinander unterschiedene Modi der Wahrnehmung (oder des Bewusst-Seins, oder  der Geistestätigkeit, oder der Meditation, you-name-it). Irgendwie war ich mit der Antwort der Vortragenden nicht so recht zufrieden ohne direkt etwas beitragen zu können. Ich wusste, dass ich mich in der Vergangenheit mal sehr um die Differenzierung dieser Begriffe bemüht hatte, nur erinnern konnte ich sie nicht. So geht’s und auch um solcher Anstöße willen braucht es Vorträge.

Wieder zuhause habe ich es nachgeschaut und mir eine Merkhilfe geschaffen: Ich stelle mir die Fülle der geistigen Zustände als ein Spektrum vor, an dessen einem Ende die völlige Fokussierung auf einen Gegenstand liegt und am anderen Ende die völlige Offenheit für die Gesamtheit der Eindrücke. Und schon haben wir die Unterscheidung der Begriffe, während Achtsamkeit sich auf die Fokussierung des Geistes bezieht, benennt Gewahrsein dessen Öffnung.

Achtsamkeit                                                                        Gewahrsein

O————————————————————————————————-O

Fokussierung                                                                                   Offenheit

Der frühe Buddhismus hat verschiedene Meditationsweisen entwickelt und beide Bewusstseinszustände getrennt trainiert. Der tibetischen Buddhismus kennt Meditationen,  in denen beides während aufeinanderfolgender Meditationsphasen geübt wird. So, fertig, wenn ich dieses Wenige in einem Jahr noch weiß bin ich zufrieden.

Interview mit Juli Zeh

Juli ZehEin weiterer Lese-, Seh- und Hörtipp, alles als „unpaid content“. Juli Zeh schreibt und spricht über das Spannungsfeld von Sicherheit und Freiheit. Was mir am besten daran gefällt ist, wie unaufgeregt und kompetent sie ihre (unsere!) Sache vertritt.

Für den Einstieg empfehle ich das Video eines Interviews, dass Peter Voß mit ihr auf 3sat geführt hat.

Wer anschließend mehr wissen will, kann zu „Angriff auf die Freiheit“ greifen, ein Buch, das sie gemeinsam mit ihrem Ko-Autor Ilija Trojanow 2009 veröffentlicht hat. Besprochen wird das Buch auf  „Freitag“ zum Nachlesen und beim ChaosComputerClub zum  Nachhören. Eine kleiner Hinweis, der Mitschnitt der Chaosradio-Sendung dauert zweieinhalb Stunden und ist gut geeignet nebenbei beim Bügeln oder Spülen gehört zu werden.

Unter Wikipedianern

Es gibt ja immer wieder einmal Beiträge, die sind so gut geschrieben, dass man sie gerne selbst verfasst hätte. „Unter Wikipedianern“ ist so einer, erst Fehlentwicklungen aufzeigen und dann mögliche Lösungsansätze, das alles möglichst sachlich und doch gut zu lesen. Wenn ich mal groß bin will ich auch so schreiben.

Nachtrag (eben Sibylle Berg [relevant] bei Harald Schmidt gesehen): Das erste Mal, dass ich dachte, „so würde ich gerne schreiben können“, war beim Lesen von Sibylle Berg. Nach-Gedanke: dann müsste ich aber auch so sein. Das wollte ich nicht. Ich lasse es beim Fremdbewundern und folge ihr auf Twitter.

Update: Wer nun beim Lesen des verlinkten Artikels Interesse bekommen hat, mehr über die Wikipedia-Debatte zu erfahren, kann diesem Link zum Chaosradio folgen, dort könnt ihr den Podcast dazu herunterladen oder direkt hören.