Nur kurz etwas aus dem Archiv ohne Bezug zum Tag …, obwohl, etwas Angst kann mensch schon bekommen bei all dem, was in der Welt gerade los ist.

Wer etwas Kontext braucht, darf hier 25062 – Gedächtniskirche Berlin weiterlesen
Nur kurz etwas aus dem Archiv ohne Bezug zum Tag …, obwohl, etwas Angst kann mensch schon bekommen bei all dem, was in der Welt gerade los ist.

Wer etwas Kontext braucht, darf hier 25062 – Gedächtniskirche Berlin weiterlesen
In den 80ern des letzten Jahrhunderts in Großbritannien ein Hype, nun auch bei mir angekommen: Drabbles. Der Einfachheit halber zitiere ich Wikipedia:
Ein Drabble ist eine meist pointierte Geschichte, die aus exakt 100 Wörtern besteht. Dabei wird die Überschrift nicht mitgezählt. Ursprünglich als Fanfiction betrieben, wird sie aufgrund ihrer einfachen äußeren Form gerne von ungeübten Autoren als Einstieg in Lyrik oder Prosa genutzt. Durch die Beschränkung auf das Wesentliche stellt das Schreiben von Drabbles auch für erfahrene Autoren häufig eine Herausforderung dar.
Darauf gekommen bin ich über einen Umweg, Kurzgeschichten. Ich mag keine Kurzgeschichten. Ich habe Kurzgeschichten nie ganz verstanden, die Figuren haben kein Woher, oft genug auch kein Wohin und das Ende wirkt manchmal sehr gewollt. Zeigt sich, das soll so. Auf Befragen gibt der Assistent meines Vertrauens folgende, sehr verdichtete Definition:
Die Kurzgeschichte ist die kürzeste epische Form: Ein hochkonzentrierter Blick auf einen einzigen, oft alltäglichen Moment. Sie arbeitet wie ein präzises Werkzeug oder ein aussagekräftiges Bild – mit schnellem Einstieg, maximaler Verdichtung und einem Schluss, der wie eine Erleuchtung oder eine offene Frage nachhallt. Ihre Stärke liegt darin, mit minimalen Mitteln maximale Wirkung zu erzielen.
Das gelesen und plötzlich kann ich mir zumindest vorstellen, Kurzgeschichten zu mögen. It’s a feature, not a bug. Und weitergehend, ich kann mir sogar vorstellen, mich daran zu versuchen.
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Die kurze Geschichte ist sofort da. In einem nicht weiter auszuführenden Rahmen gibt es diesen einen alltäglichen Moment, in dem ich gefragt werde, ob dies eine Lötpistole sei. Scheinbar belanglos und schnell vergessen, dennoch mit der Möglichkeit zur tiefen Beschreibung und Dramatisierung der fragenden Person. Aber ich weiß auch, ich werde diese Geschichte nicht schreiben, zu groß, zu schmerzhaft, zu nur-gefühlt.
Und dann stoße ich heute morgen – ich war ungewohnt früh wach – auf Drabbles. Und wie schon bei der Kurzgeschichte ist mir das Potential für meine Geschichte sofort klar. In dieser extremen Verdichtung muss und kann ich mich nicht mehr darum sorgen, ob die Dinge „wirklich“ so sind, wie ich sie beschreibe. Sie müssen stimmig sein. Ich mache den Schritt von der Abbildung, der Beschreibung zur Fiktion. Wichtig ist nur, dass die Schilderung wahr sein könnte.
Dies gedacht beginne ich das Drabble und habe zwei Stunden später ein fertiges vor mir, in vier Versionen mit zwei verschiedenen Schlusssätzen. Ich muss da noch lange draufstarren, bis ich mich für eine Version werde entscheiden können. Und letztlich erhoffe ich mir eine fünfte, vereinigte Version.
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Drabbles sind eine kurzweilige Beschäftigung, wer sich mal an Haikus oder Senryūs versucht hat, wird auch Drabbles mögen. Statt Silben werden nun Wörter gezählt und gegeneinander aufgewogen. Wir befinden uns in der Situation, dies noch sagen zu wollen, aber dann das weglassen zu müssen. Das muss doch kürzer gehen, also noch kürzer, denken wir und haben Spaß daran.
Und der Spaß kann noch weitergehen, ich visioniere illustrierte Zines mit den Drabbles, vielleicht sogar mit Kurzgeschichten, wer weiß. Alles könnte zusammenkommen, schreiben, zeichnen, fotografieren, collagieren, editieren und herausgeben. Es wäre wie bloggen, nur analog. Mir gefällt der Gedanke.
Und klar, sollte sich dieser Gedanke jemals in diesem Universum manifestieren, erfahrt Ihr es als erstes.
Bezüglich der Zeichenübungen ist immer noch alles fein. Nicht mehr ganz so strukturiert wie anfangs und immer wieder unterbrochen von anderen Kreativitätsausbrüchen, dennoch, von den Ergebnissen her betrachtet bin ich sehr zufrieden. Immer noch keine Meisterwerke, aber ich bin jetzt so weit, wie ich Jahre zurück schon einmal war. Ab jetzt wird gesteigert.
In der selbstkritischen Betrachtung fällt auf, dass meine Zeichnungen und ganz besonders die Aquarellversuche generell zu flach sind, es fehlen die Tiefen, die Schatten, die dunklen Bereiche. Das geht wohl vielen so, jede Handreichung für Anfänger geht darauf ein, meistens früher als später.
Nebenstehend habe ich eine meiner Zeichnungen mal digital auseinandergenommen und wieder zusammengesetzt. Das erlaubt das Ausprobieren verschiedener Kombinationen, ist aber eher unterwältigend. Insbesondere die Idee, das digital zu machen, war eine blöde, die mich am Erkenntnisgewinn gemessen viel zu viel Zeit gekostet hat. In Zukunft lasse ich das oder gehe digitales Zeichnen mit Lehrbuch und Übungen an. Aktuell wird es bei der Konzentration aufs Analoge bleiben.
Zeichnen zu lernen hat vielerlei positive Effekte. Einer davon ist, dass es erlaubt, alte Gedanken neu zu denken. Wenn mensch den Zeichenprozess als Metapher begreift, bildet er lange Gewußtes, vielleicht auch nur Gedachtes, neu ab.
Ein Beispiel: Die mit Aquarellstiften nachkolorierte Strichzeichnung von gestern beendete ich zu einem Zeitpunkt, an dem ich aufhören konnte – so habe ich das auch beschrieben – und zu einem Zeitpunkt, an dem ich die nächsten Schritte bedenken wollte. Ehrlicherweise sollte ich schreiben “ die nächsten Schritte hinauszögern wollte“, denn eigentlich war klar, was zu tun sei. Das Bild – und ich nehme es hier als Metapher für mein Leben – war zu flach, zu wenig dynamisch, ihm fehlte Kontur. Im ersten Anlauf ist das bei mir oft so.
Es geht um Risiken, die großen, nicht die kleinen. Im Falle des Bildes geht um das ganze (!) Bild, ich könnte es komplett (!) verderben, nicht nur etwas schlechter machen. So zumindest meine Einschätzung. Eigentlich geht es nur um Schatten, das Bild braucht sie, um Tiefe zu gewinnen (genau genommen braucht das Bild noch mehr, aber um den Gedanken weiter zu spinnen, genügen die fehlenden Schatten). Das mit den Schatten ist so ein Ding, seitdem ich um mein Problem damit weiß, schaue ich mir an, wie andere das lösen. Was soll ich sagen, die sind halt mutig, machen Sachen, die mir nicht einfielen, tragen dick auf, verwenden harte Kontraste und grell-abgedunkelte Farben. Nichts, womit mensch sich im wirklichen Leben Freunde macht. Oder vielleicht doch?
Soweit es das Bild betrifft, weiß ich zumindest ungefähr, was zu tun ist, ich kann es bei anderen ja abschauen. Bin generell auch bereit dazu. Und bleibe dann doch zu zaghaft, zu vorsichtig.
Und hier muss ich einen kleinen Bogen zu meiner Therapie schlagen. Bisher konnte ich mich mit meiner Therapeutin nicht darauf einigen, wie ich in Bezug auf Risiken in der Welt stehe. Sie hält mich für jemanden, der gerne mal ein zu großes Risiko eingeht, ich halte mich für jemanden, der nur Risiken eingeht, die er vorher gut kalkuliert hat. Und ja, das sind dann immer noch Risiken, aber halt solche, die ich bewusst eingehe und für tragbar halte.
Und dann gibt es Risiken, die ich gerne eingehen würde, echte, nicht kalkulierbare Risiken, von denen ich glaube, dass sie es Wert sind eingegangen zu werden. Aber vor denen ich zurückschrecke, weil ich nicht weiß, ob sie (er)tragbar sind.
Kurz zurück zum Zeichenprozess. Es ist mir schon mehrfach passiert, dass ich während des Zeichnens versuchte mutig zu sein, dann kurz erschrak und dachte: „Oh Scheiße, eben hast Du’s ruiniert.“ Meistens war’s dann doch okay, oder wenigstens okay-ish. Es ist, als könnte ich nicht mutig genug sein für diese Alles-oder-nichts-Risiken.
Kleine Motivsammlung: Zeichenprozess, alte Gedanken neu denken, Mangel an Dynamik und Kontur, Therapie, Risiken und das Unvermögen, sie einzugehen. Es ist an der Zeit, das alles zusammenzuführen.
Meine Therapeutin und ich führen eine Liste mit Themen, die wir mal kurz berührt habe, sie aber in der konkreten Gesprächssituation nicht weiter verfolgen konnten. Mittlerweile sind wir in der komfortablen Lage, dass wir uns diesen Sidequests widmen können. Es geht um den Gedanken, dass wir Beziehungen so führen müssten, als ob sie uns nichts wert seien. Beachte das Als-ob! Ich will damit sagen, dass wir bereit sein sollten, die Beziehung zu riskieren – unbequem zu sein, Unbequemes zu sagen oder zu tun – um sie überhaupt zu einer wirklichen Beziehung zu machen. „Als ob sie uns nichts wert sei“ meint, die Beziehung der Beziehung wegen Risiken auszusetzen, auch solchen, die sie möglicherweise nicht überlebt.
Ich kann anhand des Ortes, den ich erinnere, den Zeitpunkt rekonstruieren, zu dem ich diesen Gedanken das erste Mal einem Bekannten gegenüber geäußert habe. Ich war unter 18. In all meinen Beziehungen, die ich seitdem hatte, konnte ich diesem Gedanken nicht folgen, immer war ich zu zaghaft, niemals mutig genug. Es ist, als könnte ich nicht mutig genug sein für diese Alles-oder-nichts-Risiken.
Soweit der alte Gedanke, der im Zeichenprozess neue Bestätigung gefunden hat. Jetzt, da er wieder aufgetaucht ist, setze ich ihn mal ganz nach oben auf die Mal-drüber-reden-Liste.
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Ach ja, gestern habe ich geschrieben, weniger Gezeichnetes zu verbloggen. Deswegen ist das Bild von gestern, das heute Schatten, eine Spur mehr Tiefe und einen detaillierteren Hintergrund bekommen hat, auch im Beitrag von gestern zu finden.