25106 bis 25112 – Hamburg, 28.7. bis 3.8.2025

28.7.25, Montag, Anreise

Den Tag im Bus verbracht, der zu allen Überfluss auch noch verspätet startet und ankommt. Diesmal habe ich einen Bogen über Leverkusen machen müssen, den Aufenthalt dort konnte ich – wie gerne bei solchen Gelegenheiten – zum Cachen nutzen.

Endlich in Hamburg-Bergedorf angekommen werde ich am Bahnhof abgeholt und wir fahren gemeinsam zum Garten, der die nächsten Tage mein Zuhause sein wird. Dafür muss allerdings erst die Infrastruktur auf Vordermann gebracht werden, Wasser wird in Kanistern an der Zapfstelle geholt (es ist fast wie am Wagen), die Chemietoilette wird sowohl geleert als auch aufgefüllt und der Kühlschrank mit Abendessen und Frühstück befüllt. Nicht zu vergessen, die Matratze ist aufzublasen und das Bett zu machen. Danach bleibt auch noch etwas Zeit, um zusammenzusitzen und zu plaudern.

So ab acht habe ich den Garten für mich und beginne, mich einzurichten. Laptop und diverse Ladegeräte an den Start, Reader und Brille neben das Bett, Stiftebox und Sketchbooks auf den Tisch, fertig.

Ich schreibe diesen Artikel und anschließend beginne ich, dem Bild oben den letzten Schliff zu geben. Währenddessen kommt M. nochmal vorbei und bringt die Bettdecke, die er im ersten Anlauf vergessen hatte aus der Wohnung mitzunehmen. Und nochmals plaudern wir lange, es ist elf, als er geht.

Das Bild ist nun nur noch halb so wichtig, dennoch, fotografieren, hochladen, einfügen, veröffentlichen, fertig.

Es beginnt der unstrukturierte Teil des Abends, etwas Recherche, was es denn in Hamburg gerade in den Ausstellungen zu sehen gibt, etwas Internet im Allgemeinen und zum Abschluss eine Episode Andor.

25107, 29.7.2025, Dienstag

Der Vormittag im Garten vergeht anstrengungslos mit dem nebenstehenden Sketch und anderen weniger erwähnenswerten Dingen. Auch die Nacht war nicht schlechter, als die Nächte zuhause, insgesamt fühle ich mich gut untergebracht.

Was den Aufenthalt schwierig gestalten könnte, ist das unbeständige Wetter. Ich könnte Euch einen besseren Sketch zeigen, wenn nicht immer genau dann, wenn ich mir in entsprechender Entfernung zur Gartenhütte den Stuhl auf die Wiese gestellt habe, es zuverlässig zu regnen beginnen würde.

Ab Mittag trudelt dann die Familie im Garten ein. Der Plan ist, etwas zu tun, es gibt ja immer genug. Aber wie schon mir beim Zeichnen, macht der Regen auch dem Tätigkeitsbedürfnis der Familie mehr als einen Strich durch die Rechnung.

Und auch unsere Planungen bezüglich gemeinsamer Unternehmungen  sind etwas unglücklich. Mal gibt es keine passenden Zeitslots mehr (ich vermisse die Zeiten, als mensch einfach irgendwo hinging und sich in die Schlange stellte oder es eben ließ), mal ist es nicht kindgerecht genug, mal …, naja, irgendwas ist immer.

Als sich abzeichnet, dass es auch im Garten für uns heute nicht mehr besser wird, greife ich auf Plan A zurück, den Besuch des Zineclubs Hamburg. Denn heute Morgen bekam ich eine Mail, die mir mitteilte, dass der Zineclub sich heute doch – entgegen der ersten Auskunft – träfe. Als ich entschließe den Club zu besuchen ist es fast schon zu spät für eine pünktliche Ankunft, die dennoch gelingt, punktgenau.

Dass es den Zineclub Hamburg gibt, weiß ich aus einem Podcast und wo ich ihn finde aus dem Zine dazu [Links einfügen]. Heute ist allerdings kein „Regelbetrieb“, denn die Planung für das 2. Zinefest, das ZINETOPIA, steht an. Ich höre gerne zu und blättere nebenbei durch die „Präsensbibliothek“ des Clubs, eine Holzschachtel voller Zines, die während der Clubtreffen entstanden sind.

Das mache ich auch noch, als die Planungsbesprechung zuende ist und nun die Zinesterinnen zur Tagesordnung übergehen, der Arbeit an ihrem jeweiligen Projekt. Ach ja Zinesterinnen spricht mensch  Ziehnsterinnen, Zinester, also Ziehnster, und Zinesterinnen sind Menschen, die Zines machen, und ich muss das nicht gendern, der einzige Mann neben mir ist mitgemeint. Während um mich herum ausgeschnitten, collagiert, gezeichnet,  gefaltet und auch sehr viel geplaudert wird, komme ich mit meiner direkten Nachbarin ins Gepräch. Es geht um vieles mehr als Zines, irgendwie kommen wir auch auf Alters- und Reiseerfahrungen. Gemeinsam heben wir den Alterdurchschnitt im Raum vermutlich um zwanzig Jahre an. Sie erzählt von ihren vergeblichen Versuchen im gebuchten Apartement den Ceranherd oder das Smart-TV zu bedienen. Und ich kann – aber sowas von – anschließen. Ich musste beides auch erst während des Rendsburgurlaubs lernen. Und ja, ist beides nicht schwer, aber, und das ist ein dickes aber, dieses ständige Dazulernenmüssen nervt gewaltig, je älter, desto mehr. Habe ich so klar noch von niemandem in meinem Umfeld gehört, deswegen erwähne ich es hier mal.

Nebenbei blättere ich immer in den Zines, gelegentlich notiere ich eine Idee, und über ein Zitat, das auch ich vor kurzem verwendet habe, „Done is better than perfect“ kommen wir auf Sketchbooks. Meines kann ich nicht zeigen, weil es zugleich Tagebuch ist, aber ich darf ihres sehen. Und bin erstaunt, wie ähnlich ihre Herangehensweise an kreatives Schaffen (ich vermeide den Begriff Kunst) der meinen ist. Vollkommen unentschieden in Technik oder Thema, mal am Üben, mal am ausarbeiten, manches deutlich ungeübt, anderes beeindruckend gut. Und bei manchen Sachen ahnt mensch den sich entwickelnden Stil dahinter, zart. Es gibt nur einen Unterschied, sie ist sehr viel besser.

Die drei Stunden dort vergingen recht schnell und tatsächlich bin ich auch erst kurz vor Ende mit all den Zines in der Schachtel durch. Ich weiß jetzt sehr viel besser, was ich mag und was vielleicht auch für mich oder meine Inhalte funktionieren könnte. Und ich weiß auch, wo ich in diesem Leben nicht mehr hinkommen werde, qualitätsmäßig. Was mich nicht abhalten wird.

Auf dem Nachhauseweg gibt es dann eine Enttäuschung, ich bin mit der Familie für ein spätes Treffen verabredet, das M. dann zum spätmöglichsten Zeitpunkt absagt. Eine Stunde früher und ich wäre länger in Hamburg geblieben, fünf Minuten früher und ich hätte in einem Bus gesessen, der mich näher an den Garten bringt, als der, in dem ich sitze. So endet der Tag mit einem kleinen Spaziergang. Auch nicht verkehrt.

25108, 30.7.2025, Mittwoch

Das ist die Gartenhütte im Schatten, zu sehen sind nur die beiden angebauten Terassen. Zugleich ist das Bild ein schönes Beispiel dafür, wie es aussieht, wenn ich Sachen oberhalb meiner Möglichkeiten probiere. Ich zeig’s Euch trotzdem, wir wollten ja ehrlich sein.

<O>

Spät aufgestanden und früh losgezogen, gegen zwölf treffe ich mich mit Sohn und Enkel am Bahnhof. Wir fahren gemeinsam nach Hamburg und besuchen dort das neue große Einkaufszentrum, dort vor allem den Lego-Laden. Der Sohn ist Sammler und der Enkel profitiert. Angedacht ist eine gemeinsame Bau-Session, wenn wir wieder zuhause sind. Aber ersteinmal sind wir in Hamburg, nach dem Lego-Laden gehen wir noch kurz etwas essen und laufen dann zum Miniaturwunderland, machen es wie damalsTM und schauen was geht. Wir könnten ein Ticket mit 50 Minuten Wartezeit bekommen, eigentlich ein annehmbares Angebot, aber es ist abzusehen, dass der Enkel das nicht durchhält. Vielleicht noch die Wartezeit, aber nicht mehr den Besuch. Also lassen wir das, fahren nachhause und bauen dort Lego-Seifenkisten. Nebenbei bekomme ich die Sammlung erläutert und lerne viel darüber.

Das Ganze hat mich mehr angestrengt, als die kurze Schilderung erwarten lässt, und ich lasse mich vergleichsweise früh zur Gartenhütte fahren. Am Morgen hatte ich die Zeichnung der Gartenhütte begonnen, musste aber aufbrechen, bevor sie nur näherungsweise fertig war. Also setze ich mich nochmal vor die Hütte und ergänze Pflanzen und andere Details. Die Ausarbeitung mit Blei- und Filzstift geschieht dann in der Hütte. Gegen halb elf bin ich damit fertig und beginne den heutigen Blogbeitrag. Ende.

28109, 31.7.2025, Donnerstag

Manche Tage sollten von hinten erzählt werden. So auch dieser. Ich sitze am Tablet, habe gerade eine Episode Andor geschaut und kann mich nun entspannt dem widmen, wozu ich mich selbst verpflichtet habe, dem täglichen Bloggen. Das geht, weil ich vergleichsweise früh zuhause (meint: in der Gartenhütte) war und viele meiner kleinen Unsinnsverrichtungen hinter mich bringen konnte, die an den Abenden zuvor zu kurz gekommen sind. Unsinnsverrichtungen? Das sind solche Sachen wie die „Buchhaltung“, ich notiere auf Reisen – und nur auf Reisen – meine Ausgaben. Aus keinen besonderen Gründen, hat sich so eingeschlichen. Oder die Tagesbildchen im Kreativkalender, ich zeichne die, die auf dem Bild im letzten Monatsrückblick noch fehlen, weil es zum Zeitpunkt der Veröffentlichung erst der 27. war.

Oder ich löse die Aufkleber vom Obst, das ich auf der Rückfahrt kurz eingekauft habe, um sie in des Scrap-Zine zu kleben, das ich für den Juli begonnen habe. Braucht kein Mensch, nicht einmal ich weiß, wofür das gut ist. Ich glaube, die Aufzählung ist noch nicht vollständig, aber Ihr erkennt die Richtung. Für heute im Besonderen und den Rest der Tage im Allgemeinen gilt: Unsinnsverrichtungen fördern die Entspannung.

Auch sonst bin ich mit dem Tag sehr zufrieden. Manu und ich waren gemeinsam in Hamburg unterwegs und hatten eine gute Zeit. Zuerst waren wir im Raum für Illustration (rfi) der eine große Dauerausstellung mit Zines beherbergt. Umfangreich wäre vielleicht das bessere Wort, denn Zines sind nun einmal eher schmal und lassen lässt sich gut auch in wenig Raum unterbringen. Wir haben also eine Leseecke in einem eher ungewöhnlichen Laden besucht. Und weil wir nett waren und auch die Menschen dort nett waren, haben wir am Ende noch eine kleine Einführung in den Riso-Druck bekommen, der für Kunst-Zines gerne genommen wird (sehr verkürzt eine Art digitaler Siebdruck in einer Maschine, die aussieht wie ein aufgebohrter Kopierer; es gibt dort auch Workshops für die notwendigen Druckvorstufen).

Danach sind wir weiter in die Deichtorhallen, dort wird Katharina Grosse mit „Wunderbild“ gezeigt. Mit Worten lässt sich davon nichts vermitteln. Regelmäßige LeserInnen werden es schon geahnt, in diesem Reisebericht bekommt Ihr keine wirklichen Fotos, ich werde aber eine Hamburg-Fotonachlese machen, sobald ich zuhause-zuhause wieder etwas Muse habe (geschehen, tatsächlich, hier ein kleiner Teil meiner Bilder aus der Ausstellung). Bis dahin könnt Ihr Euch einen wirklich nur kleinen Eindruck von Katharina Grosses Werk verschaffen, wenn Ihr zu meinem Berlinbesuch von 2020 zurückspringt, während dem ich schon einmal eine Ausstellung von ihr besucht habe. Oder Ihr geht auf die Ausstellungsseite, solange es sie noch gibt. Macht das.

28110, 1.8.2025, Freitag

Ich stehe gerade jeden Morgen später auf, was sich zumindest heute aus einer schwierigen Nacht mit langen Wachphasen erklärt. Entsprechend spät mache ich mich auf den Weg zu meiner heutigen Unternehmung, in Besuch in der Kunsthalle Hamburg. Bas Jan Ader ist Programm, die Surrealisten werde ich eher so nebenbei mitnehmen, weil das Ticket neben vielem anderen auch dafür gilt.

Als die Kunsthalle um achtzehn Uhr schließt, befinde ich mich im absoluten „input overload“ und beschließe, die Verabredung für den Abend mit der Familie abzusagen. Und so, wie ich seitdem hier so vor mich hin …, keine Ahnung, was ich hier so vor mich hin. So also. Meint: gute Entscheidung.

Der Tag endet mit Unsinnsverrichtungen und bloggen.

28111, 2.8.2025, Samstag

Kurz vor elf aufgestanden und mittags bei Manu und Ben in der Wohnung, dort nehme ich ein Wannenbad bevor ich gegen drei zum CSD aufbreche.

Gegen vier stehe ich auf dem Rathausplatz, um mich herum bunte Stände und bunte Menschen. Schon bald beginnt das Bühnenprogramm, es spielt „Kraus“, gut, aber nicht gut genug, um das volle Set mitzunehmen. Später, auf dem Rückweg, bekomme ich die letzten Stücke von „Paulinko“ mit, und bei ihnen bedaure ich, nicht alles gehört zu haben.

Gerahmt von meinen beiden Bühnenerlebnissen gehe ich einmal an allen Ständen vorbei und komme bei zweien auch ins Gespräch. Der erste klärt über männliche Beschneidung und alles Schwierige im Zusammenhang damit auf. Ich bin beschnitten und zufrieden damit, folglich wundere ich mich, als ich sehr unbequem wirkende Gerätschaften sehe, die der Wiederherstellung der Vorhaut dienen. Warum sollte Mann das wollen? Aber ja, blöde Frage. Wer die Beschneidung nicht als medizinische Notwendigkeit, sondern als wie-auch-immer fremdbestimmt erlebt hat, für den kann die Wiederherstellung der Vorhaut ein heilsamer Akt sein.

Ein deutlich längeres Gespräch habe ich beim Stand des „Verein zur Sichtbarmachung des asexuellen Spektrums“. Nachdem ich vermutlich jeden Flyer des Standes eingepackt habe, bekomme ich noch von unter der Theke ein Heftchen dazugelegt, das etwas ausführlicher sei. Unmittelbar neben dem Standgedränge komme ich mit einer jungen Frau ins Gespräch, es ist nicht schwer, ich bin Zielgruppe und habe eine gute Freundin, die sich als asexuell definiert. Ich darf fragen und bekomme Antworten. Antworten, mit denen ich zufrieden bin, weil sie bestätigen, was ich mir ungefähr schon so dachte. Nur glaube ich nicht alles, was ich denke und bin deswegen immer froh, wenn ich sachkundige Fremdbestätigung bekomme. Als ich gehe bedanke ich mich aufrichtig.

An einem Glücksrad gewinne ich zwei Kondome, ich hatte auf die Sonnenbrille gehofft.

Ab acht bin ich wieder bei Sohn und Enkel und ab zehn auf dem Abendspaziergang zum Garten. Dort angekommen brauche ich eine halbe Stunde, um alle Sticker, Fähnchen und Flyer zu sortieren und für die morgige Heimfahrt knicksicher zu verstauen. Dann setze ich mich ans Tablett und beende den Tag bloggenderweise.

28112, 3.8.2025, Sonntag, Abreisetag

Auf meinen Schlaf ist gerade wenig Verlass, heute bin ich früh wach, sehr früh. Um acht ist mein großer Rucksack schon gepackt und ich sitze hier vor dem Tablet. Alles, was jetzt noch von meinen Dingen um mich herumliegt, kommt später, und eher auf die Schnelle, in den kleinen Rucksack. Ich habe zwei Stunden Zeit bis zum sehr locker geplanten Abreise-Zeitpunkt. Mich erwartet der Luxus, im PKW bis nach Gießen gefahren zu werden, Sohn und Familie besuchen dort Freunde. Vermutlich werde ich den fehlenden Schlaf im Auto nachholen.

<O>

Kurz vor neun erreicht mich die Nachricht, dass beim Freund des Sohnes, wo die Familie unterkommen wollte, „alles flachliegt“, mithin die Reise ausfällt. Ich buche eine Rückfahrt mit Flixbus, genau wie auf der Hinfahrt über Nacht und Levekusen. Und bin enttäuscht.

<O>

Der Tag vergeht in der Wohnung mit schlafen, Familienleben, einen Waldspaziergang und Tatort an Abend.

<O>

Ab kurz vor zehn Uhr abends bin ich auf den Heimweg. Wenn alles läuft wie geplant, bin ich morgen gegen elf Uhr zuhause.

24994 – Buddy

…, in diesem Buch jedenfalls, es ist immer noch „Spätestens im November“ von Hans Erich Nossack, heißt das kleine Kind der weiblichen Hauptfigur Günther.

Das Buch ist von 1955. Ich weiß, es war damals nicht weiter verwunderlich, dass ein Kind Günther hieß. Und obwohl ich doch fast ausschließlich ältere Literatur lese, komme ich meiner Erinnerung nach zum ersten Mal hartnäckig mit einem Namen überhaupt nicht klar. Ein Kleinkind namens Günther, es funktioniert in meinem Kopf einfach nicht, auch nach fünfzig Seiten noch nicht. Es bleibt ein Störfaktor. Ich lese das die ganze Zeit wie mit einer wiederholt aufpoppenden Fehlermeldung im Hirn: Achtung, Name falsch gewählt.

Es fühlt sich äußerst merkwürdig an. Dabei wäre dieser Günther, dessen Mutter ihn ausgerechnet für einen dahergelaufenen Dichter verlassen hat, jetzt in seinen Siebzigern. Es ist gar nichts Ungewöhnliches daran. Alle Günther müssen doch einmal als Kleinkind angefangen haben. Mir ist nur genau an dieser Stelle gerade etwas Vorstellungsvermögen abhanden gekommen.

Buddenbohm & Söhne

Der Text oben ist aus einem Blog, den ich regelmäßig lese und hier auch schon empfohlen habe.  Er hat mich an ein Gespräch erinnert, dass ich acht Tage zurück mit Cl. hatte. Wir standen an der Theke des Nachtlichts und sprachen scheinbar Belangloses. Mein Bruder G. lässt sich von Freunden schon lange Buddy nennen und irgendwie kamen wir darauf, dass ich ihn immer noch G. rufe, aus langer Gewohnheit und weil er für mich eben G. ist. Keine tiefere Wendung, kein Disput, wir smalltalk·ten.

Cl. ist eine voluminöse Frau mit einer tiefen, tragenden Stimme, die die Angewohnheit hat, Gesagtes zu wiederholen, so als müsse sie es von sich selbst hören, um darüber nachzudenken. Und wie sie meine Worte solcherweise innerer Bearbeitung zuführt, komme ich mir wenig überzeugend vor und auf eine unbestimmte Weise auch unzureichend. Nicht, dass ich Cl. von irgendetwas hätte überzeugen müssen, wir hätten auch über die Milch im Kaffee reden können, auf den sie wartete.

Und genau dieses Gefühl des Ungenügens fiel und fällt mir wieder ein, wenn ich den obigen Text lese. Mit einigen Stunden Abstand kann ich das Geschilderte auch mit meinen seltsam-selbstzweifelnden Gefühlen an der Theke zusammenbringen. Ich projiziere, dass erwähnt-fiktiver Günther und auch mein Bruder G. ihren Namen im späteren Leben mit der gleichen „aufpoppenden Fehlermeldung im Hirn: Achtung, Name falsch gewählt“ betrachten. Klingt Buddy nicht viel netter als G. und weckt es nicht die besseren Assoziationen? Ganz abgesehen davon, dass der Buddy von heute auch der bessere Mensch ist.

G. oder Buddy, Hose wie Jacke, woher das schwierige Gefühl? Nun, weil es eben nicht Hose wie Jacke ist (seltsame Redewendung). Hose und Jacke bezeichnen zwei grundsätzlich verschiedene Kleidungsstücke, was jeder bezeugen kann, der in der Öffentlichkeit auf das Eine oder das Andere verzichtet. Nun habe ich im Bekannten- und Freundeskreis drei Personen, die ich unter einem anderen Namen kennengelernt habe, als dem, den sie heute verwenden (eine weitere sieht noch vom Namenswechsel ab, hat aber schon darüber nachgedacht). Bei allen ist das keiner weiteren Erklärung bedürftig, ich nenne sie bei dem Namen, den sie auf sich angewendet hören möchten, dem Namen mit dem sie sich identifizieren, dem Namen, der sie sind.

Ich glaube, in diesem kurzen Gespräch an der Theke bin ich mir drauf gekommen, dass ich meinen Bruder anders – schlechter – behandle als die Menschen in meinem Freundeskreis. Dass ich ihm verweigere, heute ein anderer zu sein, als der, der er war. Und dass ich nicht, oder nur zögernd, anerkenne, wer er heute ist.

Kommt eine Brise bildungsbehafteter Standesdünkel hinzu, mein Bruder ist ein einfacher Mensch in dem Sinn, wie „Studierte“ (ein Wort aus einer anderen Zeit) das gerne von Hauptschülern annehmen. Er könnte nicht halb so gut wie mein Bekanntenkreis begründen, warum es heute für ihn wichtig ist, Buddy zu sein. Er kann das fühlen, „irgendwie“ auch wissen, wortreich dafür eintreten kann er nicht. Dieses intuitive Wissen darum, wer er ist, muss ihm zugestanden werden. Auch von mir.

Womit wir wieder an der Theke stehen und ich mich unwohl mit mir fühle. Bei einem Namen zu bleiben, mit dem die Person sich nicht mehr identifiziert, ist nicht überzeugend, ist unzureichend. Sogar, oder vielleicht gerade dann, wenn es der eigene Bruder ist. Ich habe mich in der Situation zu recht unwohl gefühlt, nur verstanden habe ich es nicht. Aber heh, – besser spät, als nie – ich mache das in Zukunft anders. Buddy ist jetzt Buddy.

<O>

Das Tagewerk als Update im Hauptartikel.

24973 – Details der Palastkapelle in Palermo

Ein wenig Nacharbeit des Palermo-Trips. An den Abenden dort war nicht immer die Zeit, die vielen Fotos angemessen zu bearbeiten. Und manchmal hat auch einfach die Lust dazu gefehlt. Heute gibt es die fotografierten Mosaiken-Bänder in der Palastkapelle. Und natürlich hätte ich dort noch viel mehr fotografieren können, aber die christliche Ikonografie ist mir zu fremd, um mich dafür fotografisch zu begeistern. Mosaike dagegen sind so nah an Pflasterungen und Flächenfüllungen, dass ich damit sehr viel Spaß haben oder Zeit füllen kann.

24966 bis 24972 – Palermo – 10. bis 16.3.2025

24966 – Anreisetag

10.3.2025, Montag

Gestern sind wir mit einem Umweg über Frankfurt in ein B’n’B-Hotel in unmittelbarer Nähe des Flughafens angereist. Heute mit genügend Zeit zum Ausschlafen in den Tag gestartet. Wir checken gegen kurz vor elf aus und gehen die wenigen Meter vom Hotel zum Flughafengebäude. Dort verläuft dann alles erwartungsgemäß, naja, fast.

Wir haben, weil Billigflug, nur Handgepäck. Ich aber habe gepackt, als käme das alles in den Laderaum und keinerlei der Beschränkungen beachtet, was alles nicht in den Passagierraum eines Flugzeugs gelangen soll. Und so bin ich nach dem Security-Check ein paar meiner mitgeführten Gegenstände los, die meisten leicht zu ersetzen (Rassierklingen, Klingen für den Papiercutter, Insektenspray in handelsüblicher Packungsgröße), aber um das Multi-Tool trauere ich schon.

Keine besonderen Vorkommnisse während des Flugs und der Weiterreise mit der Bahn, die uns in direkt vom Flughafen in die Nähe unseres Apartments bringt. Dort werden wir schon zum Check-in erwartet. Alles geht sehr schnell, und weil mensch merkt, dass es schnell gehen soll, bin ich das erste Mal von einem Airb’n’b- Check-in etwas enttäuscht.

Wir packen aus, stellen die Möbel um, bringen die Zahnbürsten ins Bad, was mensch halt so tut, wenn er wo ankommt. Danach gehen wir noch einmal los und kaufen Lebensmittel ein. In großer Menge, den wir sind ausgehungert, seit dem Frühstücks-Bagel auf dem Flughafen haben wir nichts mehr gegessen und nur wenig getrunken. Jetzt sorgen wir großzügig dafür, dass wir alles bei der Rückkehr ins Apartment nachholen können.

Und wie schön das ist, nur wenig später an einem gut gedeckten Tisch zu sitzen, zu essen, zu trinken und zu plaudern. Plaudernderweise vergeht auch der Rest des Abends, bis wir uns gegen zehn hinter die jeweiligen Endgeräte zurückziehen.

Das letzte Bild des Tages:

24967 – Stadtspaziergang

11.3.2025, Dienstag
Wir beginnen den Tag spät und frühstücken gut. Danach gehe ich in meine morgendlich Internet-Routine und H. schon einmal vor die Tür. Sie sucht sich einen Platz zum Lesen im Park, ich lese vorm Tablett. Eine dreiviertel Stunde später treffen wir uns im Park und starten von dort aus einen ausgedehnten Stadtspaziergang, der uns ungeplant an einigen der Sehenswürdigkeiten vorbeiführt.

Kathedrale von Palermo (Modell in der Kathedrale)
Quattro Canti
Teatro Massimo

 

Oratorio del Rosario di San Domenico, im Rücken die Colonna dell’Immacolata

Fontana Pretoria

Wie immer, ich werde hier nichts beschreiben, was Ihr genausogut bei Wikivoyage oder Wikipedia zu Palermo nachlesen könnt. Wir haben gesehen, gewürdigt und auch sehr viele Bilder gemacht, von denen Ihr in den nächsten Tagen sicher noch mehr zu sehen bekommt.

Lieber als die Bilder von Sehenswürdigkeiten mag ich die von irgendwelcher Streetart, von Ruinen oder ungewohnten Installationsweisen. Und auch davon lässt sich hier viel finden.

<O>

Wieder im Apartment sind wir müde und geschafft, abschlaffen ist angesagt und wir versuchen das erfolgreich bei einem Film im Streamingdienst des Vertrauens. Ich halte bis zur Mitte durch, dann schlaf(f)e ich ein.

Wieder wach kochen wir uns etwas, plaudern informell und später formell, meint: wir machen eine Audio-Aufnahme, in der Hannah mich zu Teilen meines Lebens befragt. Wir wollen dokumentieren, was andernfalls verloren ginge, Details zu meinem Leben und vielleicht auch zu den Leben derer, die mir vorangingen. Wir tun das ausgedehnt und werden es in den nächsten Tagen wiederholen.

<O>

Und schwupps ist der Abend rum. Ich setze mich nochmal ans Tablet um der Chronistenpflicht nachzukommen, bin aber zugegebenermaßen etwas lustlos. Seht Ihr vermutlich selbst.


24968 – Zwölf am Zwölften – Palermo-Edition

Zwölf am Zwölften ist eine regelmäßige Aktion von „Draußen nur Kännchen“, dort gibt es noch mehr Menschen, die ihren Zwölften mit zwölf Bildern schildern.
12.3.2025, Mittwoch

Noch vor dem Frühstück schauen wir im Bett eine Picasso-Dokumentation. Warum erklärt sich später.

Gegen halb elf gibt es ein Müsli …

… und danach laufen wir los.

Wir sind heute außerhalb der touristischen Altstadt unterwegs, wo es lauter, schmutziger und auf den Straßen sehr viel unruhiger ist.

Aber Streetart-Freunde finden überall etwas zum anschauen.

Am Ende unseres Ausflugs in die Realwelt finden wir den Langhaarschneider, den zu kaufen wir aufgebrochen sind, in einem Elektro-Discounter, den wir auch zuhause haben. Als wir von dort in touristisch-heimatlichen Gefilden zurück sind, haben wir unser tägliches Laufpensum schon gut erreicht und sind hungrig. Es gibt Streetfood, gebackene Kartoffeln mit Gemüsefüllung.

Danach starten wir ins Pallazo Reale. Als wir dort ankommen beginnen die ersten Regentropfen zu fallen.

Um hinein zu gelangen, müssen wir mal wieder durch einen Security-Check.

Geschützt wird zweierlei, zum einen die Picasso-Ausstellung, die das eigentliche Ziel unseres Ausflugs ist …

… und zum zweiten die Palastkapelle, die wir „mitnehmen“, weil sie Teil des obligatorische Kombitickets ist. Dennoch beeindruckend …

… und nur in Details (24973) zu erfassen oder wiederzugeben.

Als wir das Pallazo Reale verlassen sind die Straßen und Plätze regennass, aber es regnet nicht mehr und wir kommen im Trockenen nachhause.

Dort verschwinden wir erstmal hinter den Endgeräten, später kocht H. eine Kleinigkeit, und noch später setzen wir uns wieder zusammen, schalten ein Aufnahmegerät an und sprechen über mein In-der-Welt-sein.

Und damit endet unser Tag. Ich setze mich noch hin, schreibe diesen Beitrag und gehe ins Bett.

<O>

Und weil im letzten Bild das Apartment zu sehen ist, habe ich gerade (24.3.25) die abschließende Bewertung dafür herausgesucht:

Das Apartment ist sehr dunkel.
Die Küchenutensilien sind äußerst knapp (nur ein scharfes Messer, nur ein kleines Schneidbrett, etc.), zu zweit kochen oder Mahlzeiten vorbereiten ist schwierig.
Manche Dinge waren kaputt (Sofa, Wäscheständer, Uhr, Abzug).
Insgesamt kommen viele Kleinigkeiten zusammen, von denen jede einzelne nicht erwähnenswert wäre, [die] in der Zusammenschau aber einen schwierigen Eindruck hinterlassen.
Trotzdem hatten wir aufgrund der guten Lage eine gute Zeit.
Der Gastgeber wusste soviel Ehrlichkeit nicht zu würdigen und fordert 40 Euro für die Reparatur des Sofas nach. Ich habe dem widersprochen und seitdem nichts mehr von Airb’n’b gehört.

24969 – Strandtag in Mondello

13.3.2025, Donnerstag

24970 – Monte Pellegrino

Heute erfüllen wir heilige Touristenpflicht und suchen einen Weg auf den höchsten verfügbaren Aussichtspunkt, den Monte Pellegrino, was zugegebenermaßen nicht so furchtbar schwer ist, weil es Routenplaner gibt und ein Bus bis dorthin fährt. Dummerweise haben wir uns einen bedeckten Tag dafür ausgesucht, weswegen es nichts mit atemberaubend schönen Panaromaaufnahmen wird. Stattdessen haben wir Gebirgiges vor grau, nicht reizlos, aber deutlich unterhalb der Erwartung, als wir diesen Ausflug planten.

Was anfangs allerdings gar nicht so störend ist, der Bus hält unmittelbar vor der Grotta und dem Santuario di S. Rosalia, dem Heiligtum der Stadtpatronin. So wie die schlechte Aussicht war auch der Besuch dort nicht geplant, schafft dann aber einen angenehmen Ausgleich.

Anschließend laufe wir auf der einzigen Straße weiter zur Statua S. Rosalia, die den Aussichtspunkt kennzeichnet. Die dort und aus dem Bus heraus gemachten Bilder sind erwartungsgemäß graustichig.

Auf dem Rückweg durch die Stadt suchen und finden wir dann noch einen Cache. Ein kleiner Trost, denn auf dem Aussichtspunkt war ebenfalls einer, den wir aber nicht fanden. Und auch nicht den beim Teatro Garibaldi, es bleibt dieser eine beim Teatro Massimo. Und weil ich wenigstens einen finden wollte, bin ich auch zufrieden.

Zum Ausklang des Tages gehen wir essen.

 

24972 – Botanischer Garten 

An unserem letzten Tag besuchen  wir den Botanischer Garten. Auf dem Weg dorthin kommen wir über den Mercato Ballarò, einen nahegelegenen Markt, den wir gerne früher entdeckt hätten, weil an den Ständen viel Sreetfood angeboten wird, das durchweg lecker aussieht.
Mercato Ballarò

Es folgt ein entspannter Tag im Botanischen Garten.

<O>

Abends packen wir unser Zeug für die Rückreise. Danach setzen wir uns noch einmal für eine dritte Tochter-befragt-Vater-Audiosession zusammen. Nicht dass uns die Themen ausgingen, trotzdem ist die Aktion dieses letzte Mal etwas bemühter. Ich vermute den Grund darin, dass wir in den letzten Tagen sehr, sehr viel im Gepräch waren und alles Bedeutsame schon gesagt ist, aber eben off-the-record. Und so bleibt diese letzte Session kürzer und oft anekdotenhaft. Auch das hat seinen Wert.

24972 – Rückreisetag

Wir checken gegen Zehn aus und gehen frühstücken.

Ab Mittag sind wir dann unterwegs.

Abends gegen zehn bin ich wieder zuhause.